Tim Weinel hat ein Buch geschrieben, und zwar über Zebras: “Dein Weg zum eigenen Zebra”. Dabei geht es allerdings nicht um die Tiere, sondern um sogenannte Impact-Startups, wie er selbst auch eins gegründet hat: nämlich espero, eine nachhaltige Bekleidungsmarke, mit der nebenbei noch der Tier- und Artenschutz unterstützt wird. Wir haben mit Tim Weinel für euch über sein Buch, Impact-Startups und seine Vision als Unternehmer gesprochen.
Lieber Tim, schön, dass du dir Zeit für startup-mitteldeutschland.de genommen hast. Wann hattest du denn die Idee zu espero und was war für Dich der entscheidende Anlass, zu gründen?
Die generelle Idee zu gründen, hatte ich schon lange. Espero ist auch nicht meine erste Gründung, allerdings mein erstes echtes Zebra. Die Idee zu espero hatte ich, als ich vor einigen Jahren erfahren habe, dass jeden Tag rund 150 Tier- und Pflanzenarten für immer aussterben. Dimensionen, die man sich nur schwer vorstellen kann. Schätzungen gehen davon aus, dass wir bei diesem Tempo innerhalb der nächsten Jahrzehnte sogar eine Millionen Arten verlieren werden, wenn wir nicht langsam aktiv werden.
Als ich davon gehört habe, wusste ich sofort, dass ich etwas dagegen tun möchte. Und zwar nicht alleine, sondern über ein Unternehmen: weil ich dort zum einen deutlich stärkere Hebel sehe und zum anderen, weil ich darüber auch andere Menschen befähigen kann, etwas für den Artenschutz zu tun. Darüber hinaus kann ich informieren, aufklären und so viele weitere Menschen erreichen.
- Tim Weinel, CEO espero
Also habe ich ein Unternehmen ins Leben gerufen, das mit jedem Umsatz etwas für den Schutz bedrohter Arten tut. Der Name espero kommt übrigens aus der konstruierten Weltsprache Esperanto und steht für „Hoffnung“. Ich habe mich bewusst für eine Weltsprache entschieden, weil sich espero einem globalen Problem widmet und Hoffnung zu verbreiten soll, dass wir das Ruder noch rumreißen und wirklich was im Artenschutz bewegen können.
Wie groß ist das Team?
Das kann ich relativ kurz beantworten, denn unser Team besteht im Grunde aus mir. Ich mache alles bei espero, vom Design, über die Betreuung des Online-Shops und der Buchhaltung bis hin zu Vertrieb und Marketing. Möglich ist das, weil ich sämtliche Prozesse bei espero von vornherein sehr stark digitalisiert und automatisiert habe. Ich würde schätzen, dass der Automatisierungsgrad bei etwa 90-95% liegt. Sobald zum Beispiel eine Bestellung eingeht und der Kunde gezahlt hat, geht alles automatisch, von der Produktion über den Versand bis zur Buchhaltung. So habe ich die Hände frei für das Wichtigste: Die Erzielung von Impact.
Wie sieht der Produktionszyklus aus?
Uns war es wichtig, offen mit unseren Kund:innen zu kommunizieren, deshalb haben wir unsere Produktionsverfahren komplett transparent und detailliert auf unserer Homepage aufgeführt. Wir produzieren über einen deutschen On-Demand-Anbieter, also wirklich nur auf Nachfrage, und beziehen die Rohwaren von dem zertifizierten, veganen und fairen Anbieter Stanley/Stella.
“Auch das ist für uns Nachhaltigkeit: Kein Lager voll mit Waren, von denen niemand weiß, ob sie alle am Ende verkauft werden und was man mit dem Rest dann macht.”
Veredelt wird dann in Deutschland, also bestickt und bedruckt. Was Rückläufer betrifft, so haben wir glücklicherweise eine extrem niedrige Quote. Die wenigen Rückläufer, die wir bekommen, werden noch einmal auf ihre Qualität geprüft und wenn sie einwandfrei sind, setzen wir sie reduziert in unseren Second Chance Shop, wo sie hoffentlich dann eine zweite Chance bekommen.
Mit welchen Tier- und Artenschutzverbänden arbeitet espero zusammen?
Insgesamt arbeiten wir derzeit mit acht verschiedenen Projekten bzw. Organisationen zusammen, denen wir 25% der Erlöse aus unseren Kollektionen zukommen lassen. Diese verteilen sich über Europa und Asien bis nach Afrika. Die Mehrheit widmet sich in ihrer Arbeit vor allem Tierarten, die vom Aussterben bedroht sind, wie etwa Löwen, Elefanten, Nashörner oder auch Berggorillas. Andere wiederum kümmern sich um Tiere, die zum Opfer von Wilderern wurden, diese schlimmen Attacken überleben und daraufhin versorgt und gepflegt werden müssen. Und dann unterstützen wir auch Projekte in Deutschland, die sich für mehr Tierwohl einsetzen oder gerettete Tiere beheimaten.
Was sind aktuell die größten Chancen, was die größten Herausforderungen für das Startup?
Die größten Chancen liegen aktuell im Umdenken der Gesellschaft. Wo früher noch vor allem der Preis die größte Rolle bei Kaufentscheidungen gespielt hat, stehen heute andere Fragen im Fokus: Unter welchen Umständen wird produziert? Ist das Produkt ethisch vertretbar? Wie schaut der Fußabdruck des Produktes aus? Das macht Mut und ist ein Grund zur Hoffnung, dass sich auf Konsument:innen- und damit früher oder später auch auf Unternehmensebene noch einiges ändern wird.
Risiken haben wir momentan vor allem in der starken Abhängigkeit unserer Zulieferer:innen. Der Anbieter:innenmarkt für nachhaltige, faire und vegane Textilien ist noch immer sehr klein. Der Anteil fairer Baumwolle am Gesamtmarkt zum Beispiel dürfte gerade einmal 1% betragen. Das führt natürlich dazu, dass man sich schnell an neue Rahmenbedingungen anpassen muss.
Was macht die Gründung eines Zebras anders oder schwieriger als ein Startup ohne (expliziten) Impact-Charakter?
Impact kostet in der Regel Geld – und das muss man berücksichtigen. Wenn man ein Zebra gründet und nachhaltig Impact erzielen möchte, dann sollte man sich darüber im Klaren sein, dass das üblicherweise zu Lasten der eigenen Marge geht. Zudem sollte man klar benennen können, wo man Impact erzielen möchte, also welchen Problemen man sich annehmen möchte und dabei ganz transparent sein. Bei Impact-Startups wird nämlich besonders genau hingeschaut und geprüft, ob es sich dabei nicht um Greenwashing handelt. Und das natürlich auch gut so, da es natürlich auch hier Trittbrettfahrer:innen gibt. Und zuletzt stellt sich natürlich auch die Frage nach der Finanzierung, wenn man ja schon davon ausgehen kann, dass durch den Impact weniger Geld zur freien Verfügung steht.
Ist es für Zebras einfacher, Investor:innen zu finden?
Wie so oft im Leben kommt es darauf an: Für klassisch renditeorientierte Investoren sind Zebras häufig uninteressanter, was sich natürlich dadurch begründen lässt, dass eben ein Teil des Kapitals für Impact aufgebracht werden muss, was jetzt kein traditioneller Wachstumstreiber ist, wenngleich er in Ausnahmefällen doch auch einer sein kann. Allerdings finden sich immer mehr Impact-Investor:innen, egal ob nun als Business Angels oder in Form von VC-Geber:innen. Das sind dann Investor:innen, die ihren Fokus voll auf Impact legen und ganz gezielt in solche Startups investieren. Und wenn man Glück hat, passt der Fokus auch zum eigenen Konzept. Das ist jetzt natürlich sehr pauschal und es gibt immer Ausnahmen. Aber im Großen und Ganzen trifft das so schon zu.
Mit welchen Punkten hattest du bei deinen Zebras am meisten zu kämpfen?
Zunächst hatte ich das große Glück, dass ich nicht viel Kapital für meine Gründung gebraucht habe und alles aus eigener Kraft stemmen konnte. So war ich frei und konnte mich direkt voll auf die Arbeit konzentrieren.
"Am meisten zu kämpfen hatte ich vor allem mit der Frage: “Wie vermittle ich meine Botschaft und wie mache ich meinen Impact deutlich?”
- Tim Weinel, CEO espero
Es drehte sich, vereinfacht formuliert, also viel um die Frage, wie man Impact verkauft. Impact ist in der Regel erklärungsbedürftig und es ist eine Herausforderung, diesen Impact in eine kurze Botschaft zu packen, die sofort erfasst werden kann. Was Kleidung ist, das weiß jede:r. Doch wie kann Kleidung dazu beitragen, Tiere zu schützen, die vom Aussterben bedroht sind? Hier besteht ein gewisses Risiko, dass potenzielle Kund:innen das nicht verstehen und vor Unsicherheit abbrechen. Auch war es wichtig, das transparent zu begründen und darstellen zu können. Nicht zuletzt deshalb führen wir Interviews mit Projekten, die unterstützt werden. So können wir zeigen, was diese Projekte mit den Unterstützungen tun.
Wie würdest du die Zebra-Landschaft in Deutschland beschreiben?
Die Landschaft wächst kontinuierlich und das ist auch echt gut so. Denn das zeigt, dass es auch eine Nachfrage für die Produkte und die Leistungen der Zebras gibt. Zum Vorbild habe ich mir keine genommen, da ich meine eigene Geschichte völlig frei selbst schreiben möchte und nicht hinter den Idealen anderer hinterhereifern möchte. Aber es gibt einige, die ich beobachte, wie etwa Africa GreenTec, die mit umgebauten Photovoltaik-Containern Strom in die Subsahara bringen oder auch Viva Con Aqua, die durch den Verkauf von Wasser Trinkwasserprojekte auf der ganzen Welt fördern.
Sollten Unternehmen und Startups mehr gesellschaftliche Verantwortung übernehmen? Oder liegt die Verantwortung eher bei Konsument:innen, bewusster zu konsumieren?
Beides. Die Welt retten, das geht nur Hand in Hand. Die Konsument:innen müssen sich bewusst sein, dass ihr Einkaufszettel wie ein Stimmzettel funktioniert. Mit allem, was sie kaufen, entscheiden sie aktiv, welche Unternehmen sie unterstützen.
“Unterstütze ich ein Unternehmen, das einfach produziert, ohne sich Gedanken über die Umwelt, das Tierwohl oder die Menschen in der Produktion zu machen, oder unterstütze ich mit meinem Kauf ein Unternehmen, das das genaue Gegenteil davon ist? Das ist nur leider noch den wenigsten wirklich klar.”
- Tim Weinel, CEO espero
Unternehmen wiederum sind meiner Meinung nach der größte Hebel, den wir haben,noch vor den Konsument:innen und auch vor der Politik. Unternehmen könnten so viel Impact erzielen und mit ihren Entscheidungen so vieles bewirken.
Allerdings gibt es insbesondere bei Bestandsunternehmen natürlich auch ganz große Haken, weshalb Wechsel nicht ganz einfach werden. Da wären zum einen Investor:innen, die natürlich möglichst hohe Rendite erwarten und bestehende Kund:innen, die möglichst niedrige Preise bei maximaler Qualität erwarten. Auch das sehr pauschal, aber ich denke es gibt den Trend ganz gut wieder. Da haben es neue Unternehmen, die von vornherein impactbasiert aufgebaut werden, natürlich einfacher.
Was möchtest du Menschen mitgeben, die mit dem Gedanken spielen, ihr eigenes Zebra zu gründen?
Mein Nummer 1 Tipp ist: Einfach machen! Ich finde, es gibt viel zu viele Menschen, die großartige nachhaltige Ideen haben und dabei aber dann so vieles zerdenken, bis sie diese Ideen dann doch nicht mehr umsetzen oder nicht mal damit beginnen ein Konzept zu erarbeiten. Und dann gehen diese großartigen Ideen verloren. Etwa weil sie Angst vor den Risiken bekommen oder sich mit zu vielen Fragen konfrontiert sehen. Dabei gibt es, gerade in der Impact-Community, so viele Anlaufstellen und so viele Menschen, die immer ein offenes Ohr haben und einem bei jedem Schritt gut unterstützen können. Davon muss man einfach nur Gebrauch machen.
Lasst uns eine starke Community sein, die sich gegenseitig hilft und unterstützt und so vieles kann bewegt und verändert werden!
Lieber Tim, vielen Dank für das Interview und die ermutigenden Worte! Wir wünschen dir mit deinem Zebra und deinem Buch viel Erfolg und hoffen, dass wir auch mit diesem Beitrag unsere Leser:innen zur Gründung eines Impact-Startups inspirieren können.