Das Startup FluIDect wurde im August 2021 von den Gründern Dr. Tobias Schröter, Dr. Michael Himmelhaus und Klaus Schindlbeck ins Leben gerufen. Nach Jena hatten die drei ganz unterschiedliche Wege und Schicksale geführt, das Zusammentreffen war jedoch sehr fruchtbar. Zweieinhalb Jahre ist das internationale Team auf 10 Personen aus insgesamt 6 Ländern gewachsen. Im Gespräch zieht Dr. Tobias Schröter ein vorläufiges Resümée.
Lieber Tobias, was macht FluIDect genau?
Sicherlich hat jede:r schon einmal von sogenannten “Lebensmittelrückrufaktionen”, etwa wie bei Ferrero Kinderschokolade im Jahr 2022, gehört: Solche Rückrufaktionen passieren täglich und verursachen allein in Deutschland einen Schaden im Bereich von hunderten Millionen Euro. Das passiert, da immer wieder unkontrollierte Mikroorganismen in Prozessketten hereinkommen und unbemerkt bleiben. Heutzutage gibt es noch keine unkomplizierte Möglichkeit, solche Mikroorganismen in den Industrieprozessen in Echtzeit abzufragen. Man kann hier Laborproben entnehmen und einsenden, hat dann jedoch erst Stunden oder gar Tage später ein Ergebnis.
Unsere Vision ist es deshalb, ein einfaches Gerät zu entwickeln, das, ähnlich wie ein Thermometer, in Flüssigkeiten gehalten werden kann und dort die Konzentration von Mikroorganismen bestimmt. Daher haben wir FluIDect gegründet und entwickeln gerade einen Biosensor, mit dem diese Vision künftig möglich wird.Unser aktuelles Gerät ist noch halbautomatisch. In Zukunft möchten wir ein vollautomatisches Gerät auf den Markt bringen, das in Produktionsanlagen integriert werden kann und dort das flüssige Produkt rund um die Uhr vollautomatisch untersucht. Dabei greifen wir auf eine Biosensor Technologie. zurück, deren Grundlagen bereits vor knapp 20 Jahren von Michael Himmelhaus, unserem Mitbegründer, entwickelt wurden.
Was war euer entscheidender Gründungsimpuls?
Michael hatte schon lange Erfahrung in der Biosensorik und ich kam aus der industriellen Prozessmesstechnik. Dort habe ich gesehen, dass es einen großen Bedarf an Industriemesstechnik, auch im Bereich der Bioprozesstechnik, gibt – und auch eine große Marktlücke. Gleichzeitig habe ich erkannt, dass die “Dr. Himmelhaus’-Technologie” wesentliche Vorteile bietet und genau diese Lücke schließen kann. Klaus bringt betriebswirtschaftlichen Hintergrund und Erfahrung im Bereich der Diagnostik mit.
Innovationen entstehen immer dann, wenn ein reales Problem mit einer neuen Lösung gelöst werden kann.– Tobias Schröter, CEO FluIDect
Die Aufgabe unseres Startups war es, die Technologie zu konkreten Produkten weiterzuentwickeln. Das erste Produkt, ein Analysegerät, basierend auf einem Biosensor, haben wir im November letzten Jahres (2023) auf den Markt gebracht. Es kann in unterschiedlichen Umgebungen eingesetzt werden, sowohl laborseitig als auch produktionsnah, und dort unterschiedliche Flüssigkeiten auf spezifische materielle Kontaminationen untersuchen.
Welche Mikroorganismen könnt ihr mit dem Analysegerät finden?
Salmonellen sind statistisch gesehen die am häufigsten auftretenden Krankheitserreger, die auch zu den meisten Todesfällen führen. Es gibt aber auch zum Beispiel E-coli-Bakterien, die in Lebensmitteln immer wieder Probleme verursachen. Dass es zu Rückholaktionen kommt, ist aber nur die Spitze des Eisbergs. Es passiert nur im Ausnahmefall, dass kontaminierte Lebensmittel an den Kunden ausgeliefert werden. Die Hersteller:innen haben auch im Vorfeld schon viele Testmechanismen, doch kommt es nicht selten vor, dass immer wieder Mikroorganismen durchkommen und so Produktionsausfälle stattfinden, die für Unternehmen sehr schnell sehr teuer werden. Teilweise werden Lebensmittel auch aufgrund von Kontamination verworfen, bevor sie überhaupt in den Handel kommen.
(c) FluIDect
So sieht eine Salmonelle unter dem Mikroskop aus.
Welche weiteren Einsatzgebiete sind für euch denkbar?
Es gibt viele Industrieprozesse, die auf Mikroorganismen angewiesen sind. Ein großer Industriezweig ist zum Beispiel die Bioethanol-Fermentation für den Kraftverkehr. Auch hier können die Produktionsanlagen krank werden, wenn sich die falschen Mikroorganismen etablieren. Dann wird anstelle des Zielprodukts, im Fall des Ethanols, zum Beispiel Milchsäure produziert und das führt zu signifikanten wirtschaftlichen Schäden. Wenn diese unerwünschten Mikroorganismen die Oberhand gewinnen, kommt es zur kostspieligen Ertragsreduktion oder gar zum Produktionsausfall. Um das vermeiden zu können, kann unser Gerät die Strukturen überwachen, Anomalien frühzeitig erkennen und geeignete Gegenmaßnahmen eingeleitet werden.
Wie funktioniert euer Sensor, lässt er sich individuell konfigurieren und ist er ohne Hilfe zu bedienen?
Unsere Sensoren sind kleine Mikropartikel, die sogenannten Microbeads, die eine Oberflächenfunktionalisierung in Form von Antikörpern besitzen. Wir können diese in eine Probe geben, wo sie Mikroorganismen auf ihrer Oberfläche fangen. Je nach Ziel können wir unterschiedliche Antikörper nutzen. Unser Sensor lässt sich also für unterschiedliche Ziele anpassen. Im Anschluss lesen wir diese Mikropartikel berührungslos über ein optisches Verfahren aus. Anhand des Signals wissen wir, wie viel der Zielkonzentration sich in der Flüssigkeit befunden hat. Neben Salmonellen und E-colis, gibt es sehr viele kund:innenspezifische Problemstellungen. Das können Laktobazillen sein, die in der Milchwirtschaft keine Probleme darstellen, jedoch in der Ethanolfermentation. Wir können auf Anforderungen reagieren, spezifische Zielorganismen tangieren und unser System dafür optimieren.
(c) FluIDect
So könnte der Sensor bei der Einbindung in eine Produktionskette aussehen.
Wir gehen bei der Implementierung für die Kund:innen in den meisten Fällen zweistufig vor. Zunächst schauen wir uns das Thema des Kunden:der Kundin an und validieren unser System für die grundspezifischen Proben. Im zweiten Schritt können dann die Kund:innen eines unserer Geräte erwerben und dieses für sich nutzen. Wir begleiten sie im aktuellen Status noch sehr eng und stellen den Analyseerfolg sicher.
Wie wird euer Produkt bislang am Markt angenommen?
Wir sind überrascht über den großen Marktbedarf! Auch jetzt schon, im Produktentwicklungsstatus, haben wir eine sehr große Nachfrage von Kund:innen aus ganz unterschiedlichen Bereichen. Diese reichen von Lebensmitteln bis zum Kühlschmierstoff oder technischen Anlagen, die Klebstoff auf Wasserbasis herstellen. Fast jede Woche lernen wir neue, mögliche Anwendungsgebiete kennen. Das hat uns überrascht. Die Kund:innen sind sehr offen und suchen proaktiv neue Lösungen, da es hier noch einen sehr großen Bedarf gibt.
Was ist eure Zukunftsvision?
Aktuell müssen die Analysegeräte noch manuell bedient werden. Unsere Produkte sollen künftig vollautomatisch in die Prozesse unserer Kund:innen integriert werden. Das ist für 2025 geplant. Das klare Ziel ist, ein Plug-and-Play-fertiges Gerät zu liefern, das nur installiert werden muss und mit dem der:die Kund:in möglichst einfach zu interpretierende Daten bekommt, die er:sie direkt mit den Prozessen verknüpfen kann. Für uns ist es wichtig, mehr Daten über die Prozesse zu sammeln und ein genaueres Verständnis darüber zu bekommen, wie die Prozesse weiter optimiert werden können, wo Probleme im Hinblick auf Kontamination oder auf Mikroorganismen entstehen, die hilfreich sind. Zu diesem Zweck generieren wir Daten im großen Stil, um für unsere Kund:innen wertvolle Informationen daraus zu ziehen.
Da geht es beispielsweise darum, herauszufinden, wie viel genau eine Lactobacillen-Kontamination in einem Bioreaktor an Produktionsausfall kostet. Denn dafür gibt es bislang zu wenige Messgrößen, nur grobe Schätzungen. Auch geeignete Gegenmaßnahmen sind meistens sehr schlecht zu überwachen, da der Messaufwand bisher sehr hoch ist. Wir möchten anhand unserer Daten dann etwa herausfinden, was genau passiert, wenn ich mit Pestiziden gegenarbeite oder die Temperaturen oder den pH-Wert ändere, sodass man die Kontamination vermeidet.
Was hat euch zu Jena inspiriert und arbeitet ihr mit Kooperationspartner:innen in der Region zusammen?
Wir drei Gründer haben uns in Jena kennengelernt. Jeder von uns hatte einen anderen Grund, nach Jena zu kommen. Wir sind hier sehr zufrieden und möchten auch hier bleiben, da Jena einiges vereint, was wir für unsere Entwicklung brauchen: Zum einen ist Jena stark in der Biotechnologie und, aber auch stark in der Optik – und beides benötigen wir für unser Startup. In Jena finden wir genau das richtige Umfeld, um wirklich auch schwierigste Herausforderungen in verschiedenen Bereichen zu lösen. Dazu haben wir natürlich auch ein sehr gutes Partnernetzwerk vorgefunden.
Wir arbeiten zum Beispiel mit dem Leibnitz IPHT oder dem TITK zusammen. Wir sind auch Mitglied bei InfectoGnostics Campus oder mit OptoNet, was uns diverse Vorteile bringt. Aktuell sind wir dabei, mit dem Hans-Knöll-Institut und dem Universitätsklinikum Jena zu kooperieren. Außerhalb von Mitteldeutschland haben wir zum Beispiel auch die Freie Universität Brüssel als Kooperationspartner und sprechen deutschlandweit mit anderen Universitäten, etwa RTWH Aachen oder der TU München.
Was ist die größte Herausforderung, was die größte Chance für euch?
Eine besondere Herausforderung eines DeepTechStartups, wie wir es sind, ist die extrem komplexen Entwicklung. Wir entwickeln gleichzeitig Hardware, Software, aber auch biologische und biochemische Prozesse. Da kommen viele Disziplinen zusammen, die es zu vereinen gilt. Die große Chance ist, dass wir mit dem Produkt wesentliche Probleme in der Industrie lösen können. Und dadurch, dass wir die ersten sind, die diese spezielle Technologie einsetzen.
Was würdest Du Gründer:innen mit auf den Weg geben?
Ich habe das Unternehmen aus einer gut bezahlten und sicheren Festanstellung heraus mitgegründet, die ich bei der Gründung natürlich aufgeben musste. Um Chancen zu ergreifen, gehört also eine Portion Mut. Ich habe es bisher nicht bereut und wünsche mir, dass mehr Leute sich auf Neuland begeben, weil wir nur so weiterkommen können.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es manchmal anstrengender war, als ich erwartet hatte. Deshalb ist es vielleicht ganz gut, am Anfang etwas blauäugig in eine Gründung zu gehen, ohne genau zu wissen, welche Herausforderungen kommen. Wir alle sind durch die Gründung sehr gewachsen und haben uns weiterentwickelt. Deshalb kann ich nur jedem empfehlen, über eine Gründung oder die Mitarbeit in einem Startup nachzudenken. Deutschland braucht Menschen, die Vorreiter sind und selbst etwas aufbauen wollen.
Lieber Tobias, vielen herzlichen Dank für das Interview. Wir sind gespannt, wo die Reise von FluIDect noch hinführt. Wenn ihr bei FluIDect einsteigen oder mit dem Unternehmen kooperieren möchtet, könnt ihr euch gerne bei Tobias ([email protected]) melden.