Keine Macht für Niemand. 1973 besang es die sozialkritische deutsche Rockband Ton Steine Scherben. Mittlerweile gehört dieser Ansatz zum Geschäftsalltag einiger mutiger Unternehmen. Buzzword: Holokratie. Eine geeignete Alternative zur klassischen Hierarchiestruktur oder nur Träumerei? Das Leipziger Schokoladen-Startup nucao ist sich sicher: die holokratische Selbstorganisation ist fester Bestandteil ihres unternehmerischen Erfolgsrezepts. In unserer Beitragsreihe nehmen wir euch hinter die Kulissen von nucao und geben Einblicke in die Organisationskultur des Leipziger Startups.
Teil 2: Meetings und Entscheidungen
In der typischen Holokratie-Ordnung gibt es regelmäßige, fest strukturierte Meetings. Doch im Laufe der Zeit erkannte nucao, dass die direkte Kommunikation und Ansprache wesentlich effizienter läuft. Trotz der eingeschränkten Flexibilität der internen Unternehmenskommunikation durch Meetings sind diese ein wichtiges Element, damit die Selbstorganisation funktioniert.
Eines der Kennzeichen der Holokratie ist das Tactical Meeting. Die wöchentlichen Meetings dienen der operativen Abstimmung in den Kreisen. Die Mitglieder eines Kreises können hier Informationen austauschen, Updates geben oder Projekte und Aktionen von anderen Rollen anfordern. Auf der anderen Seite gibt es strategische Meetings, in denen Rollen hinterfragt, abgeschafft oder neu geschaffen werden können.
Wichtig ist aber auch hier, flexibel zu bleiben und sich nicht stets nach einem vorgegebenen Schema zu verhalten. Strukturen sollten immer hinterfragt werden, um die bestmögliche, individuelle Lösung für ein Unternehmen zu finden.
„Es gilt nicht, ein Framework wie Holokratie eins zu eins auf die eigene Organisation zu übertragen. Deswegen macht es auch durchaus Sinn, Meetings bedürfnisorientiert anzupassen. Für uns war zum Beispiel das strategische Meeting nicht mehr so sinnvoll, wie wir es vielleicht am Anfang empfunden haben. Und aufgrund steigender Unternehmensgröße, mehr Menschen, größeren Team und zunehmender Komplexität, sollte man regelmäßig Änderungen vornehmen.“
Expert:innen statt Chefs
Bei nucao findet man keine typischen Chefs. In traditionellen Unternehmen trifft der Chef die Entscheidungen und delegiert Aufgaben nach dem Top-Down-Prinzip. Bei dem Schokoladen-Startup aus Leipzig werden die Entscheidungen dort getroffen, wo die größte Expertise vorhanden ist. Natürlich nicht über alle Köpfe hinweg, sondern Hand in Hand gehend mit Transparenz und Kommunikation.
Marie-Jo selbst liefert ein anschauliches Beispiel, wie Entscheidungen bei nucao getroffen werden.
„Angenommen, ich möchte in meiner Rolle eine neue Wissensdatenbank aufsetzen und treffe selbstständig die Entscheidung für einen Umzug von Software A zu Software B. Was passiert, wenn ich nach drei Wochen merke, dass das die falsche Entscheidung gewesen ist, weil keiner in der Firma damit arbeiten kann? Das sorgt natürlich für Unmut und erschwert unnötig die Arbeit. Wenn ich aber die Anforderungen und Bedürfnisse derjenigen einhole, die mit der Software arbeiten müssen und zwischen mehreren Alternativen gemeinsam Vor- und Nachteile erarbeite, treffen zwar die anderen nicht die Entscheidung, aber geben mir Feedback, ohne sich aktiv damit auseinandersetzen zu müssen. Entscheidungen setzen Feedback-Schleifen voraus, denn dadurch treffe ich viel nachhaltiger Entscheidungen.“
Die Rolle, die die Verantwortung innehat, trägt somit auch die Verantwortung für eine getroffene Entscheidung. Diese können jedoch abgesichert werden, indem man sich Feedbacks von anderen einholt und die betroffenen Menschen einbezieht. Der Entscheidungsprozess kann über den internen Kommunikationskanal oder über das regelmäßig stattfindende Team-Standup eingeleitet werden.
Im Gegensatz zu traditionellen Unternehmen werden Entscheidungen im Bereich des operativen Geschäfts deutlich schneller getroffen, da es keine Befugnis-Schleifen gibt.
Bei strategischen Fragen muss man sich bewusst sein, dass die Entscheidungsprozesse länger dauern können, da alle Mitglieder der Organisation an der Entscheidungsfindung beteiligt werden müssen. Dennoch ist sich Marie-Jo sicher, dass sich der Aufwand lohnt, da dadurch Entscheidungen nachhaltiger werden.
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Inside nucao: Wie die Selbstorganisation zum Erfolgsrezept des Leipziger Schokoladenherstellers beiträgt
Holokratie. Eine geeignete Alternative zur klassischen Hierarchiestruktur oder nur Träumerei? Wir stellen euch das unternehmerische Erfolgsrezept des Leipziger Schokoladenherstellers nucao vor.