Luca Heck und David Anthony sind Informatikstudenten an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Dass sie mit einer App, die – auf den ersten Blick analoge – Postkarten verschickt, erfolgreich werden möchten, will nicht ganz zur Fachrichtung passen. Doch die Ansichtskarten ihres Startups Printell überzeugen mit einer besonderen digitalen Eigenschaft.
Ein Gastbeitrag von Melanie Friedrichs und unserem Partner Univations GmbH.
Als David 2018 den Vorlesungssaal betritt, fällt sein Blick direkt auf Luca. Sein Kommilitone sticht aus der Gruppe wartender Informatik-Studierender heraus.
„Ich hatte ein Polohemd an, gegelte Haare, eine Hornbrille“, erinnert sich Luca, der Co-Gründer des Hallenser Startups Printell im Interview.
Ein ziemlicher Schnösel, lautet Davids Urteil in diesem Moment. Doch der erste Eindruck täuscht: In einer Gruppenarbeit kommen sie später zum ersten Mal ins Gespräch und es entsteht nach und nach eine Freundschaft mit seinem jetzigen Gründungspartner.
„Wir sind beide unglaublich technologieinteressiert. Unsere Gesprächsthemen drehen sich ständig um neue Entwicklungen wie Blockchain, NFTs oder Augmented Reality“, so der 23-jährige Luca.
Ein Weihnachtsgruß wird zur Geschäftsidee
Eines ihrer Gespräche wird schließlich zum Auslöser ihrer jetzigen Gründungsidee.
„Vermutlich muss Instagram zugehört haben. Dort bekam ich – es war um die Weihnachtszeit – eine Werbeanzeige für Postkarten, ganz ähnlich, wie wir sie mittlerweile gestalten“, sagt Luca.
Beworben wird eine Postkarte, die auf der Vorderseite mit einem QR-Code ausgestattet ist, der dazu führt, dass auf Oberfläche der Postkarte mittels Augmented Reality (AR) ein Video abgespielt wird. Für beide steht fest, so etwas an ihre Freunde als Weihnachtsgruß zu verschicken. Mit Klick auf die Anzeige wird jedoch schnell klar: Aus der Geschenkidee wird vorerst nichts. Das Unternehmen bietet die Karten nur bei Abnahme hoher Stückzahlen an. Die Suche nach einem anderen Anbieter gestaltet sich ebenfalls als Sackgasse.
Doch die beiden Informatiker wollen sich nicht davon abbringen lassen. Sie beginnen zu überlegen, wie sie ihr Weihnachtsgeschenk selbst realisieren könnten. Mehr noch: Sie möchten eine App entwickeln, mit der jeder solche AR-Postkarten preiswert erstellen kann.
„Wir haben uns überlegt, wie wir das Ganze als Geschäftsmodell skalierbar machen könnten. Auf der Suche nach Unterstützung sind wir schnell auf den Transfer- und Gründerservice der Uni gekommen. Durch einen Ansprechpartner fühlt man sich gleich ein bisschen sicherer“, sagt Luca.
Sie nehmen an der 100-Tage-Challenge des Gründerservices teil, die dazu dient, in der vorgegebenen Zeit ihre Geschäftsidee voranzubringen und tüfteln weiter an ihrer Postkarten-App. Die Vorgehensweise für Nutzer:innen ist einfach: Absender:innen können über die von den beiden Gründern entwickelte App eine Postkarte mit persönlicher Grußbotschaft kreieren. Dazu gehört neben einem Text, der eingefügt werden muss, auch ein Video, das ebenfalls in der App hochgeladen wird. Der mit dem Video verknüpfte QR-Code wird durch die App automatisch generiert und auf der Vorderseite der Ansichtskarte abgebildet. Es folgt der Bezahlvorgang. Anschließend geht die Postkarte bei einem externen Anbieter in den Druck und wird verschickt. Sobald Empfänger:innen die Karte aus dem Postkasten fischen, müssen sie den QR-Code mit dem Smartphone einscannen und können dann auf der Oberfläche der Karte mittels AR das Video des oder der Absender:in anschauen.
© Printell
Ein QR-Code, der mit dem Smartphone gescannt werden muss, sorgt dafür, dass die Video-Grußbotschaft des/der Absender:in auf der Vorderseite der Postkarte wiedergegeben wird
Ein nachhaltiger Lerneffekt
Nach der Gründung ihres Startups Printell heißt es nun, Studium und Startup im Alltag unter einen Hut zu bekommen. Nicht immer ganz einfach, wie Luca, der mittlerweile vom reinen Informatik-Studium zur Wirtschaftsinformatik gewechselt ist, zugibt. Nebenjob, Bachelorarbeit, Vorlesungen und Seminare müssen im Alltag ebenso Berücksichtigung finden. Muss eine Entscheidung zwischen Uni-Verpflichtungen und der Weiterarbeit an Printell getroffen werden, fällt die Wahl häufig auf sein Business. Auch seine Eltern mussten sich an den Gedanken, dass ihr Sohn vor Abschluss seines Studiums bereits als Jungunternehmer durchstarten will, erstmal gewöhnen.
Aber Luca bleibt von seinem Gründungsprojekt überzeugt – unabhängig von dessen Erfolg.
„Ich habe schon jetzt so viele nachhaltige Erfahrung durchs Gründen gesammelt, mir Wissen angeeignet und ein Netzwerk aufgebaut. Das kann mir keiner mehr nehmen. Im Studium ist es leider viel zu häufig so gewesen, dass ich für eine Klausur gelernt und die Dinge danach sofort wieder vergessen habe“, sagt er.
Ein Unternehmen während des Studiums zu gründen sei zwar herausfordernd, aber er versuche sich selbst nicht zu stark unter Druck zu setzen.
„Selbst wenn es nicht klappt, habe ich dann einen Uni-Abschluss und kann in die Berufswelt einsteigen. Viele denken zu häufig erst daran, was alles passieren könnte. Ich denke, es ist umso wichtiger, an Ideen festzuhalten und einfach mal loszulegen.“
Statt akademischer Karriere steht für ihn erst einmal Printell auf dem Plan.
„Die richtige Idee zur richtigen Zeit“
Soll Luca sich beschreiben, bezeichnet er sich als Visionär. Wenn er eine Idee habe, gehe er gern aufs Ganze. Dabei verliere er manchmal auch das Risiko aus dem Blick. David sei hingegen eher der Realist.
„Er bremst mich manchmal aus und versucht, Tatsachen zu schaffen. Dadurch ergänzen wir uns gut“, so der Student.
Gemeinsam wollen sie eine Software-Lösung auf den Markt bringen, wie sie bisher noch keiner anbieten würde, betont er.
„Natürlich gibt es schon AR-Postkarten. Dort kann immer aus den gleichen Videos bzw. Motiv gewählt werden. Das ist auch technisch keine Herausforderung“, so Luca.
Für bisherige Lösungen müsse eine Person immer manuell den QR-Code mit dem Video hinterlegen. Mit Printell sei jede Postkarte individuell, jede werde einzeln von der Software erkannt und das Video automatisch hinterlegt. Er fügt hinzu:
„Wir sind auf dem aktuellsten Stand der Technologie. Für andere Anbieter wird es sehr aufwendig und teuer, so etwas in der Funktion nachzuahmen, weil die Anbindung an die Technologie, die sie derzeit verwenden, schwierig ist. Vor zwei Jahren hätten wir diese Technologie selbst noch nicht verwenden können. Wir hatten einfach zur richtigen Zeit die richtige Idee.“
© Printell
Mittels Augmented Reality wird das Motiv auf der Postkarte lebendig
Was jetzt noch fehlt, wäre ein passender Business Angel. Ein Mentor, der neben finanziellen Mitteln vor allem auch auf unternehmerischer Ebene Erfahrung einbringt. Jemand, der bereits weiß, welche Herausforderungen auf die jungen Startup-Gründer warten und wie man am besten mit ihnen umgeht. Eine erste Feuerprobe hat ihre Technologie bereits ohne einen solchen Partner erfolgreich bestanden. Mit dem Urbanite Stadtmagazin aus Leipzig fanden sie einen Pilotkunden, um die Grundfunktionen ihrer Software zu validieren. Mittlerweile hätten sie 150 Downloads, erklärt Luca.
Noch haben sie für ihr Produkt nicht aktiv geworben: Das soll mit der neu releasten App geschehen, vor allem durch Social Media fokussiert auf Regionen in Urlaubsländern.
„Wenn ich daran denke, dass du sonst in irgendeinen Kiosk gehst, eine Postkarte auswählst - die häufig nicht mal schön ist. Und dann bezahlst du auch noch einen Haufen Porto“, sagt er und schüttelt den Kopf.
Die Idee hinter Printell sei persönlicher und kreativer. Sie ermögliche digitale Vielfalt. So lautet Lucas ehrgeiziges Ziel:
„Es wäre ein Traum, jemanden auf der Straße zu treffen, der mir erzählt, er habe seine Postkarten über Printell verschickt.“