Quelle: Univations, Foto: Unrau-Fotografie
Die mycrocast Gründer Marcel Heße und Sven Beeckman beim Investforum Pitch Day 2020
Marcel Heße und Sven Beeckman sind die Gründer von mycrocast. Die App kommt bei namhaften deutschen Sportclubs zum Einsatz und ermöglicht Fans Live-Berichterstattung mit hohem Unterhaltungsfaktor. Doch das reicht den beiden Magdeburgern nicht. Die Vision für ihr Startup ist global und nicht nur für Sportbegeisterte spannend.
Ein Gastbeitrag von Melanie Friedrichs, Univations
Die Stimmung am Spielfeldrand ist zum Zerreißen gespannt. Endlich fällt das erhoffte Tor und die Fans springen und singen im Siegestaumel durcheinander. Wie gut kennen eingefleischte Fußballfans dieses Gefühl, und wie gerne wäre am liebsten jeder von ihnen hautnah dabei? mycrocast bringt dieses Fieber aus dem Stadion aufs Ohr.
Quelle: mycrocast GmbH
Im Vereinsradio von mycrocast konnten Fans das Spiel zwischen RB Leipzig und 1. FC Union Berlin live kommentieren.
Nicht vor Ort und doch dabei
Die Audio-Plattform-Gründer Marcel Heße und Sven Beeckmann haben mit ihrem Startup mycrocast eine Möglichkeit geschaffen, die aus jedem Sportfan einen potenziellen Fanreporter macht.
„App herunterladen, Account anlegen, Headset in die Ohren und los“, fasst Marcel kurz zusammen.
Ob als Taktik-Ass für Topspiele oder in der Kreisklasse sonntagmorgens am Spielfeldrand: Jeder kann in seinem Stil live für andere Fans berichten oder umgedreht den Ausführungen aus erster Hand lauschen. Gerade in Pandemie-Zeiten, in denen die Stadien – wenn überhaupt – nur für wenige Zuschauer öffnen, ist es für Fans ein Segen, zuhause zu sein und dennoch mittendrin. Für einige kommt das visuelle Verfolgen eines Spiels auch aus gesundheitlichen Gründen nicht in Frage.
„Wir bedienen mit unserem Service auch Sehbehinderte. Jetzt, während der Corona-Zeit, konnten wir Fußballclubs z.B. dem FC Augsburg oder 1.FC Magdeburg ermöglichen, ihre Sehbehindertenkommentierung über uns anzubieten“, erzählt der selbsternannte Fußballfanatiker stolz.
Für Fans und KommentatorInnen ist der Service kostenfrei. Mehr als 25.000 aktive NutzerInnen hat die Plattform schon zu verzeichnen. Die Vereine zahlen die Einbindung in das System. Viele sind bereits überzeugt: Profi-Clubs wie Werder Bremen, Union Berlin sowie Eintracht Braunschweig nutzen das Angebot, es gibt erste KundInnen aus dem europäischen Ausland. Eine Kooperation mit dem Kicker Sportmagazin soll dabei helfen, mycrocast im Amateurbereich zu etablieren. Und dass, obwohl der erste Kunde kein Fußball-, sondern ein Eishockey-Verein war.
„Welche Vereine so einen Service anbieten, ist vor allem eine Geldfrage, gerade zu Corona-Zeiten. Der Fußball ist mit Geldern gesegnet. In anderen Sportarten ist es derzeit schwieriger, sich zu etablieren, aber sie zählen auf jeden Fall zu unserer Zielgruppe“, betont Marcel.
So freut es ihn, dass mit dem Deutschen Basketballbund derzeit ebenfalls daran gearbeitet wird, den Amateursport auszustatten. Auch Eishockey- und weitere Basketballvereine sind interessiert oder bereits Partner.
Audio-Spaß für alle
Doch mycrocast, das ist viel mehr als nur die Sportberichterstattung. Die Sport-Branche diene vor allem als Einstieg in das Social-Media-Business, so der Gründer. Denn schon als Marcel und Sven 2018 ihr Startup in Magdeburg gründeten, war die Vision klar:
„Jeder soll live und auf Abruf Audioinhalte erstellen und konsumieren können, also auch, was gerade in deiner Stadt passiert, witzige Kurzgeschichten aus deinem Alltag, eine Hörprobe der Hobbyband von nebenan.“
Dafür wurde neben Langformaten wie Live-Berichten oder Podcasts ganz frisch auch „mycrocast Snips“ in die Software integriert. 150 Sekunden darf der Beitrag maximal umfassen und kann durch Up- und Downvotes bewertet werden. Die Bewertungsfunktion der App sei nicht darauf ausgelegt, Mobbing zu ermöglichen, ist dem CEO wichtig, sondern soll zur positiven bzw. negativen Signalwirkung für die ErstellerIn der Inhalte beitragen.
Quelle: mycrocast GmbH
Als Vergleich für mycrocast fallen in Marcels Ausführungen Namen wie der Social-Media Hit Tiktok aus China oder die US-amerikanische Videoplattform Youtube. Von einer ähnlichen Popularität träumen die beiden Gründer auch für ihr Unternehmen.
In Sachsen-Anhalt verwurzelt
In Deutschland, so musste Marcel die Erfahrung machen, stehen InvestorInnen dem Geschäftsmodell Social-Audio-Plattform eher skeptisch gegenüber. Rund 13000 Entwicklerstunden, Beweise am Markt und die Akquirierung namhafter Partner brauchte es, bis sie im November 2020 ihre erfolgreiche Seed-Finanzierung verkünden konnten. Hartmut Ostrowski, ehemaliger Chef der Bertelsmann AG, und zwei weitere Business-Angels investierten 200.000 Euro. Die Gründung in Sachsen-Anhalt habe Marcel dennoch nie bereut. Beide Gründer absolvierten bereits ihr Studium in der Landeshauptstadt.
„Die Bedingungen passen, es sind nur kurze Wege zum Ministerium, wir haben einen engen Draht zur Uni und die Konkurrenzsituation für uns ist eine andere als für viele, die nach Berlin oder Leipzig gehen“, fasst der gebürtige Magdeburger zusammen.
Nicht zu unterschätzen sei auch die finanzielle Unterstützung gewesen. Neben dem ego.Start-Gründerstipendium wurde mycrocast als erstem Startup in Sachsen-Anhalt Zuschüsse aus dem Projekt Digital Creativity bewilligt.
„Wir konnten uns weiterentwickeln, ohne das Risiko einzugehen, von Tag 1 von Umsätzen abhängig zu sein.“
Durch den Investforum Startup-Service erhielten die Jungunternehmer zusätzliche Unterstützung in Fragen der Kapitalakquise und konnten durch ihre Teilnahme am Investforum Pitch-Day 2020 in Magdeburg ihr Netzwerk am Gründungsstandort erweitern.
Neue KundInnen und internationale Märkte
Mittlerweile umfasst das Startup zehn MitarbeiterInnen. Sie werden im Jahr 2021 alle Hände voll zu tun haben, denn neben Ausbauplänen von mycrocast Snips stehen sportliche Großereignisse wie die Fußball-Europameisterschaft und die Olympischen Spiele an. Dafür öffnet sich mycrocast zum ersten Mal für weitere Kunden aus dem B2B-Segment: Marken und Sponsoren sollen auf der Plattform präsenter werden und eigene Fanreporter in ihrem Auftrag am Spielfeldrand stehen.
„Werbekunden könnten z.B. den besten Kommentator mit Tickets für das Finale belohnen“, schwebt Marcel vor.
Ein Tool, von dem er überzeugt ist, dass es zwischen Marke und Kunden eine emotionalere Beziehung schafft, als es eine Anzeige an der Seitenbande könnte. Ein weiteres Ziel ist der Markteintritt in weiteren europäischen Ländern. Und im besten Fall auch einen ersten Club in Übersee als Partner zu gewinnen.
„Es wäre großartig, in den USA bereits in diesem Jahr einen Fuß in die Tür zu kriegen“, sagt Marcel.
Noch ist mycrocast Snips zwar nur deutschlandweit im Test, starke Kontakte in aller Welt könnten dafür sorgen, dass die Social-Audio-Plattform aus Magdeburg international durchstarten kann. Dann wäre ein großer Schritt auf dem Weg in die Liga von Youtube oder Tiktok schon gemeistert.