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Zum #TABinterview sind wir mit Knut Rennert und Martin Raasch in Jena verabredet. Die Gründer der Dynamic42 GmbH bauen Organe in einem Biochip nach. Wie das funktioniert und welche Vorteile das bringt, erzählen uns die beiden Biochemiker im Interview.
Wie ist die Dynamic42 GmbH entstanden?
Knut Rennert: Ich war in einer Arbeitsgruppe zur Arteriosklerose-Forschung im Center for Sepsis Control and Care des Universitätsklinikums Jena tätig, wo wir mit Blutzellen von Patienten gearbeitet haben. Im nächsten Schritt hätten wir am Tiermodell forschen müssen. Um Tierversuche durchführen zu können, muss verpflichtend ein entsprechender Kurs belegt werden. Dabei habe ich festgestellt, dass es überhaupt nichts für mich ist, Tiere zum Lernen zu töten. Das waren krasse Erfahrungen. Also haben wir nach einer anderen Methode gesucht.
Martin Raasch: Ich bin 2011 auf die Arbeitsgruppe aufmerksam geworden, da ich für meine Promotion auch auf der Suche nach Alternativen zu Tierversuchen war. Ich möchte nicht am Tier forschen. Eine ehemalige Professorin warf mir an den Kopf, warum ich dann Biochemie studieren würde. Das war ein prägendes Erlebnis, aber auch eine zusätzliche Motivation, um zu beweisen, dass es andere Möglichkeiten gibt. So bin ich zur Arbeitsgruppe gekommen und habe zum Thema „Blutgefäß-on-Chip“ promoviert.
Wie ging es weiter?
Martin Raasch: Das Blutgefäß war die Grundlage. Im ersten Schritt haben wir uns die Leber als Organmodell vorgenommen.
Knut Rennert: Die Leber erfüllt wichtige Funktionen im Körper. Hier werden die Wirkstoffe von Medikamenten umgesetzt, das heißt, in der Leber entstehen die aktiven Wirksubstanzen bzw. auch die Giftigkeit verschiedener Medikamente. Im einem geförderten Verbund-Forschungsprojekt haben wir bis 2015 ein Modell der Leber entwickelt. In dieser Zeit kamen wir auch an den Punkt, an dem wir entschieden haben, uns auf eine Gründung vorzubereiten.
Die Ausgründung erfolgte 2018. Wie haben Sie sich darauf vorbereitet?
Knut Rennert: Wir haben Weiterbildungen über die Gründungsakademie der Universität Jena besucht und an Gründungswettbewerben teilgenommen. Der erste Wettbewerb war direkt ein voller Erfolg: Auf dem Gründerinnovationstag in Jena haben wir den Publikums- und Jurypreis abgeräumt. Das war eine schöne Bestätigung und hat uns motiviert, den Schritt in die Selbstständigkeit zu gehen. Schließlich sind wir Wissenschaftler, die von BWL wenig Ahnung hatten.
Wie hat die Thüringer Gründungsinfrastruktur geholfen?
Martin Raasch: Nachdem wir sichtbar geworden sind, hat uns die Stiftung für Technologie, Innovation und Forschung (STIFT) unterstützt. Auch seitens der Sparkasse Jena bekamen wir Unterstützung. Später kam auch die bm|t beteiligungsmanagement thüringen GmbH dazu, die uns mit Kapital aber auch einem guten Netzwerk im Life-Science-Bereich unter die Arme gegriffen hat.
Die Thüringer Aufbaubank hat uns im Förderbereich sehr geholfen. Das erste Förderprojekt vor über 10 Jahren hat den Startschuss dafür gegeben, dass wir jetzt hier sitzen und ein Unternehmen haben. Wir haben das Programm „Thüringen Invest“ genutzt, um unsere Laborkapazitäten aufzubauen. Mithilfe der Personalförderung im Rahmen des Thüringen Stipendiums (Anm. d. Redaktion: FTI Thüringen PERSONEN Richtlinie, gefördert durch das Thüringer Wirtschaftsministerium aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds Plus) konnten wir Doktoranden und Studierenden einen Einblick in unsere Forschungstätigkeiten geben, um zukünftig Fachkräfte an unsere Unternehmung zu binden. Aktuell haben wir ein weiteres Verbund-Projekt mit dem Fraunhofer IOF und zwei Unternehmen aus Jena abgeschlossen, indem wir Echtzeituntersuchungen in unserem Lebermodell entwickelt haben. Das wurde im Rahmen der FTI-Richtlinie durch den EFRE kofinanziert gefördert.
Knut Rennert: Was für uns auch vielversprechende Ergebnisse hervorgebracht hat, war ein Projekt im Rahmen vom Technologie-Wettbewerb „Get started 2gether“, das wir zusammen mit der wirtschaftsnahen Forschungseinrichtung Innovent durchgeführt haben.
Wo kommt die „Organ-on-Chip“-Technologie zum Einsatz?
Knut Rennert: Zum Beispiel in der Überprüfung von Wirkstoffen. Das müssen auch nicht nur klassische Wirkstoffe sein. Antikörper, Nanomaterial, Chemikalien, Nahrungsergänzungsmittel, Beschichtungsmaterial: Man kann alles überprüfen, womit der Mensch in Kontakt kommen könnte. In den Organmodellen kann man sich anschauen, welche Nebenwirkung eine Substanz offenbart.
Ohne dafür Tierversuche durchzuführen. Welche weiteren Vorteile gibt es?
Knut Rennert: Wir testen in einem nachgebauten menschlichen System, was auch die Übertragbarkeit zum Menschen verbessert. Davon profitiert die Grundlagenforschung. Nicht nur, dass wir Tierversuche reduzieren, sondern auch aufgrund der Erhöhung der Sicherheit in klinischen Studien. Langfristig erhöht das auch die Medikamentensicherheit für den Menschen, was wiederum perspektivisch den Anteil an Patienten mit Nebenwirkungen im Krankenhaus reduziert.
Martin Raasch: Wir bauen recht komplexe Organmodelle mit sehr vielen verschiedenen Zelltypen. In einem Experiment kann ich einen bestimmten Zelltyp im Modell einfach weglassen. Im Organismus geht das nicht, schließlich kann ich keine Zellen aus einer Maus herausnehmen und dann erwarten, dass sie noch funktioniert.
Knut Rennert: Wichtig ist auch die Ressourcenschonung. Mithilfe der „Organ-on-Chip“-Lösung wird Zeit und Geld in der Wirkstoffentwicklung reduziert.
Mithilfe der bm|t haben Sie kürzlich eine siebenstellige Finanzierungsrunde abgeschlossen. Wie ist Ihre Vision für die Zukunft?
Knut Rennert: Wir gehen in eine Wachstumsphase über. Wir haben das Unternehmen Schritt-für-Schritt aufgebaut, alle wichtigen Positionen besetzt und einen Kundenstamm aufgebaut – zuerst in der DACH-Region, inzwischen auch europaweit. Jetzt wollen wir richtig durchstarten und unser Laborteam nochmal vergrößern, um den Fokus auf die Internationalisierung zu legen. Wir wollen den Schritt in die USA wagen, weil das der wichtigste Markt in der pharmazeutischen Wirkstoffentwicklung ist. Das haben wir auch frühzeitig der bm|t signalisiert. Kevin Reeder, CEO der bm|t, hat uns interessante Kontakte vermittelt und auch auf US-Programme aufmerksam gemacht. Das funktioniert sehr gut.
Martin Raasch: In Zukunft wollen wir außerdem verstärkt Produkte anbieten, die einer Automatisierungsplattform unterliegen. Das heißt, der Kunde erhält eine Plattform, die er sich mit von uns entwickelten Modulen zusammenbauen kann. Er kann dann in seinem Labor eigene Modelle aufbauen und zu Testungen und wissenschaftlichen Fragen nutzen – ohne großen Aufwand.
Knut Rennert: Wir wollen unseren Fußabdruck besonders im „Organ-on-Chip“-Bereich für Infektionsmodelle setzen. Das ist eine große Vision. Unser Vorteil ist es, dass wir Zellen des menschlichen Abwehrsystems – anders als andere Firmen – direkt in unseren Organmodellen integriert haben. Zur Erforschung der Interaktion zwischen Immunsystem und Bakterien, Pilzen oder Viren aus der Umwelt, ist das ideal. Diese Marktnische wollen wir gerne besetzen.
Wir bleiben dran! Vielen Dank für das Gespräch!