Foto: sciendis GmbH
Das Gründer-Duo hinter der sciendis GmbH: Michael Aleithe (r.) und Philipp Skowron (l.)
Der Pflegealltag ist herausfordernd. Arbeiten im Schichtsystem, Überstunden sind die Regel und in den meisten Pflegeheimen ist der Personalschlüssel zu knapp bemessen. Die wesentlichen Pflegeleistungen wie Grundpflege, häusliche Betreuung oder die medizinische Versorgung können daher nicht immer adäquat erbracht werden. Die Pflegequalität leidet. Digitale Anwendungen wie WUNDERA® können hingegen die Arbeit vereinfachen, automatisieren und somit mehr Zeit für Pflegekräfte schaffen. Über ihre smarte Lösung für den Pflegealltag und welche Hürden es bei der Produktentwicklung in der Gesundheitsbranche zu überwinden gilt, darüber haben wir mit Co-Gründer Michael des Leipziger E-Health Startups sciendis gesprochen.
Smarte Lösung für den Pflegealltag
Digitale Anwendungen können Pflegende bei ihren Tätigkeiten entlasten oder die Möglichkeiten für pflegebedürftige Menschen verbessern, selbstbestimmt und sicher versorgt leben zu können. Sie assistieren bei Routinetätigkeiten oder unterstützten das Monitoring von Patientinnen und Patienten; wie die App WUNDERA® des Leipziger Startups sciendis.
WUNDERA® unterstützt Pflegekräfte bei der Dokumentation chronischer Wunden, die meist altersbedingt durch Krankheiten wie Diabetes oder durch Bettlägerigkeit entstehen. Solche Wunden müssen regelmäßig anhand ihrer Auffälligkeiten und Entwicklungen dokumentiert und versorgt werden. Im Alltag erfolgt die Begutachtung und Dokumentation analog durch examinierte Fachkräfte. Das nimmt nicht nur viel Zeit in Anspruch nehmen, sondern ist ebenso anfällig für Fehler.
Mit WUNDERA® erfolgt die Dokumentation offline, mobil und on the fly während der Wundbehandlung. Die Wunde wird automatisch vermessen, fotografisch festgehalten und über eine einheitliche Eingabemaske mit Keyworderkennung digital dokumentiert. Über eine Schnittstelle können die Ergebnisse schließlich an das bestehende Dokumentationssystem übertragen werden. WUNDERA® verkürzt den Dokumentationsprozess und verringert den Aufwand für die Pflegefachkraft.
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Die Dokumentation chronischer Wunden durch WUNDERA® erfolgt anhand einer einheitlichen Datenmaske mit einer Vielzahl an Features, die den Großteil der Kundenbedürfnisse abdecken sollen.
Digitalisierung: Schlechtes Zeugnis für Gesundheitsbranche
Smarte Lösungen wie WUNDERA® können den Pflegeprozess erleichtern. Im Pflegealltag sind solche digitalen Anwendungen jedoch noch nicht die Regel, wie der Blick auf denDigital-Health-Index vermuten lässt. 2018 verglich die Bertelsmann-Stiftung 17 ausgewählte EU- und OECD-Länder anhand ihres Digitalisierungsgrades im Gesundheitssektor. Deutschland rangiert mit einem Indexwert von 30 auf dem vorletzten Platz.
Die Gründe für die schlechte Platzierung sind vielfältig. Viele unterschiedliche Interessengruppen und Kostenträger sorgen für einen starren, regulatorischen Rahmen, innerhalb dessen die Produktentwicklung erfolgen muss. Gleichzeitig gelten für Anwendungen, die mit Gesundheitsdaten hantieren, strenge Datenschutzvorgaben.
Mit sciendis haben sich die beiden Gründer Michael Aleithe und Philipp Skowron diesen Herausforderungen gestellt. Als Medizinprodukt muss WUNDERA® mitunter einen Zertifizierungsprozess durchlaufen. Der kann schon mal ein ganzes Jahr in Anspruch nehmen.
Ein Produkt für alle Bedürfnisse
In die Branche sind die beiden Gründer hineingewachsen. An der Uni Leipzig forschten beide im Zuge ihrer Dissertation rund um das Thema Patienten-Monitoringsysteme. Mit der Fachexpertise aus den Bereichen KI und Patienten-Monitoringsystemen ergab sich für sciendis das perfekte Gründer-Match. Ihr E-Health Startup gründeten Michael und Philipp im August 2019. Die Idee für WUNDERA® ergab sich jedoch erst mit der Zeit.
„Wir wussten schon eine ganze Weile, dass wir zusammenarbeiten wollten. Digitalisierung im Gesundheitswesen, insbesondere im Pflegesektor, war dabei immer unser Aushängeschild. Wir wussten aber zu der Zeit noch nicht, dass die digitale Dokumentation unser erstes Steckenpferd wird, was wir dann vertieften. Das kam sukzessive, nachdem wir unsere ersten Kunden hatten, erste kleine Schritten machten und merkten: Da scheint großer Bedarf zu sein“, schildert Michael.
Mit WUNDERA® formulierten sich Michael und Philipp gegenseitig den Anspruch, ihr Produkt möglichst nah an den Nutzer:innen zu entwickeln. Sie banden sie direkt in ihre Testphasen ein, sammelten Feedback und bauten ihre Anwendung unter Einbezug der Rückmeldungen. Der Kundenfokus sei ihre oberste Maxime.
„Die ersten Kunden, die wir hatten, waren kleine Pflegedienste. Der Vorteil bestand darin, die Produktentwicklung nah am Kunden vollziehen zu können. Mit direktem Feedback. Bessere Beta-Tester konnten wir nicht bekommen. Denn in der Entwicklung durchläufst du zwar viele Testphasen, wirst aber nie die Probleme sehen, die die Anwendung im regelmäßigen Betrieb für die Anwender mit sich bringt“, erklärt Michael.
Am Ende entsteht ein Produkt, welches trotz breiten Kundenstamms eine einheitliche und einfache Anwendung darstellt und die Bedürfnisse vollumfänglich abdeckt.
„Mit WUNDERA® haben wir es geschafft, das ganze Sammelsurium an Bedürfnissen der unterschiedlichen Kunden in ein einfaches Produkt zu gießen. Eine App, mit der du fotografisch dokumentierst und in der die Erfassung automatisch in einer einheitlichen Datenmaske erfolgt. Trotz all der Hürden und Befindlichkeiten, die diese Branche mit sich bringt, konnten wir ein einfaches Produkt realisieren. Das war schon eine ziemlich große Herausforderung“, gibt sich Michael zufrieden.
Ein Blick in die Zukunft und andere Branchen
Längst sind Michael und Philipp nicht mehr nur als Duo tätig. Das Team hat sich vergrößert, 15 Mitarbeitende versammeln sich mittlerweile hinter sciendis. Ein Jahr nach dem erfolgreichen Launch erstreckt sich die Kundschaft nun auch über Österreich, die Schweiz und den Benelux-Staaten. Stetig werden weitere Tests durchgeführt und WUNDERA® um weitere Features ergänzt.
Neben der Internationalisierung sehen die beiden Gründer einen weiteren Meilenstein in der Anbindung ihrer Anwendung an die Telematikinfrastruktur, um künftig Schnittstellen mit der elektronischen Patientenakte oder mit E-Rezepten zu ermöglichen. Darüber hinaus wagt Michael auch einen Blick in andere Branchen.
„Als digitale Anwendung für die Dokumentation von Hautstellen sind wir nicht nur für die Pflegebranche interessant. In der Pharmabranche werden mit Dermatika, das sind Arzneimittel für die Haut, klinische Studien durchgeführt. Täglich wird dann dokumentiert, wie die Reaktionen aussehen. In WUNDERA® ist die KI-basierte automatische Wundvermessung bereits enthalten. Mit dem Wundera-Chip als Referenzkörper, können dann ebenso Breite, Höhe, Umfang, Fläche und künftig mithilfe optischer Messverfahren, auch die Tiefe ermittelt werden. Diese Features sind nicht nur nützlich für die Bestimmung chronischer Wunden im Alltag, sondern auch für die Dokumentation von Hautpartien bei der pharmazeutischen Analytik.“
Eine Herausforderung jagt die nächste, doch für das Gründerteam gehöre das zum Geschäftsalltag. Ihr Motto: Geht nicht, gibt’s nicht! Und mindestens einmal am Tag sollte man mit dem Kopf durch die Wand.