Auf das Startup SaxonQ sind wir aufmerksam geworden, da sie im IQ Innovationspreis Mitteldeutschland des Jahres 2024 für ihren mobilen Quantencomputer ganze drei (!) Preise abgeräumt haben: Den Innovationspreis der Stadt Leipzig, den Gesamtpreis und den Preis für das Cluster “Informationstechnologie”. Nun haben Sie am 11. November 2024 auch noch den KfW-Award Gründen mit nach Hause genommen. Doch wer steckt eigentlich hinter dem Überfliegerstartup? Wir haben für euch mit Gründer Marius Grundmann und Kommunikationsmanager Axel Kunz gesprochen.
Schön, dass ihr für uns Zeit findet! Marius, erzähl’ doch mal, wann und wie habt ihr SaxonQ gegründet?
Wir haben uns im Juni 2021 gegründet. Neben mir gibt es noch Jan Meijer. Wir beide sind Professoren an der Universität Leipzig im Felix-Bloch-Institut für Festkörperphysik mit den Arbeitsgruppen Halbleiterphysik und Angewandte Quantenphysik und haben bereits seit den 90ern an solchen Themen gearbeitet. Wir ergänzen uns sehr gut mit unseren Skill-Sets.
Dann gibt es noch Michelle Grundmann, meine Frau, die aus dem Finanzbereich kommt und Bernd Burchard als Gründer. Insgesamt gibt es jetzt etwa sechzehn bezahlte Mitarbeitende. Die meisten davon sind promovierte Physiker:innen.
Als wir gemeinsam im Rahmen der Uni den ersten Quantencomputer-Prototyp entwickelt haben, kam der entscheidende Durchbruch: Der Moment, in dem wir es geschafft haben, unsere Quantenbits reproduzierbar herzustellen. Mit unserem Patentrechtler Bernd Burchard haben wir unseren Computer dann schon sehr frühzeitig mit Schutzrechten versehen.
Das heißt, ihr seid also die ersten, die diese spezielle Quanten-Technologie “erfunden” haben?
Wir sind die ersten, die diesen Quantenchip entwickelt haben. Natürlich gibt es auch andere Technologien, Quantencomputer zu bauen. Die ursprüngliche Idee kam in den 1970er Jahren auf, von Richard Feynman. IBM ist mit den sogenannten "Supraleitenden Qubits" schon länger im Geschäft. Doch wir haben den ersten Chip entwickelt, der diese “NV-Zentren” als Quantencomputer laufen lassen kann.
Kannst du erklären, was genau ein “NV-Zentrum” ist?
Der Quantenchip besteht aus einem Diamantplättchen. “N” steht für Nitrogen, Nitrogenium, also Stickstoff und “V” steht für Vakanz, also eine Leerstelle. Jeder Diamant ist ein Kohlenstoff-Gitter. Jedes Kohlenstoffatom ist mit vier Bindungen an andere Kohlenstoffatome gebunden. Dort wird eines durch Stickstoff ersetzt, den wir implantieren und mit Kraft in den Kristall einbringen. Das Besondere ist, dass daneben eine Leerstelle ist, da fehlt dann ein Kohlenstoffatomen. Genau das ist das “Qubit”, der Kern der NV- Technologie. Mit diesen Qubits kann man dann entsprechend rechnen.
Was kann und macht eigentlich ein Quantencomputer?
Das Besondere an einem Quantencomputer ist, dass er fundamental anders funktioniert als ein digitaler Computer. Ein digitaler Computer arbeitet mit Bits, also mit Null und Eins. Über die Jahre hat sich die Siliziumtechnologie entwickelt, mit der man Milliarden von Bits, also Speicherstellen, auf solche Chips bringen kann. Das Problem dabei ist, dass die Digitaltechnologie durch das Prinzip solcher Bits begrenzt einsetzbar ist.
Der Quantencomputer hingegen arbeitet mit Quantenbits, sogenannte Qubits. Diese Qubits funktionieren fundamental anders. Sie speichern die Information nicht als Null und Eins, sondern in einem Quantenzustand, mit dem deutlich mehr Informationen gespeichert werden können. Den üblichen Quantenzustand kann man auf einer Kugel, der Blochkugel, darstellen. Die Kombination der Drehungen und Verknüpfungen dieser Quantenzustände sind mögliche Operationen in einem Quantencomputer, die am Ende komplexe Probleme lösen. Dabei kann er gleichzeitig mehrere Zustände annehmen. In der populärwissenschaftlichen Literatur ist das als "Schrödinger’s Katze-Zustand" bekannt. Wenn ich konkret zwei Qubits habe und diese entsprechend einstelle, kann ich 2 hoch 2 Zustände durchrechnen. Wenn ich 10 Qubits habe, das ist bereits 2 hoch 10, also 1024, dann kann ich also schon 1024 verschiedene Zustände gleichzeitig durch diese Rechnung schieben. Das geht exponentiell so weiter – mit 20 Qubits habe ich schon eine Million Möglichkeiten.
Wie viele Qubits werden in einem Quantencomputer verbaut?
Gute Frage: So viele wie möglich! Genau das ist der Wettbewerb, der gerade besteht. Das wichtigste Parameter, an dem gearbeitet wird, ist, dass man möglichst viele Qubits verbaut, die miteinander rechnen können. Das hört sich alles gerade sehr abstrakt an, aber es gibt ein gutes Video auf Arte dazu.
Welche komplexen Probleme können Quantencomputer lösen?
Der Quantencomputer ist dafür gedacht, besonders komplexe Probleme zu lösen. Letztendlich ist noch nicht bekannt, welcher Algorithmus der Beste für welchen Quantencomputer ist. Bisher arbeiten alle daran, den Quantencomputer so mächtig zu machen, dass er ein Großrechenzentrum schlägt. Eine typische Aufgabe, die schwierig, sogar praktisch bisher unlösbar ist, ist etwa Code-Breaking. Insbesondere bei Aufgaben der künstlichen Intelligenz, die gigantische Rechenleistung und damit auch Energie verschlingen, können Quantencomputer für Beschleunigung und gleichzeitig Nachhaltigkeit sorgen.
Doch auch Probleme der Optimierung im Allgemeinen können gelöst werden; etwa der Bahnfahrplan, Flugzeugbeladungen, die Lieferkettenoptimierung oder die Fabrikautomation. Denn solche komplexen Optimierungsprobleme mit vielen Variablen sind klassisch schwierig zu behandeln und das Optimum zu finden, ist nicht so einfach.
Im Finanzbereich kann ein Quantencomputer die Risikoanalyse und Portfoliooptimierung übernehmen. Auch die Simulation von Materialien im Bereich Pharmaka, Wirkstoffentwicklung oder Materialforschung ist gerade sehr gefragt. Der momentane Hype gilt dort gerade für Batterieelektroden. Im Endeffekt bestehen eigentlich alle Materialien aus Atomen in einem Kristallgitter und das ist ein quantenmechanisches Problem, bei dem ich viele Atomzustände berechnen muss. Der Quantencomputer ist genau auf solche Problemlösungen adaptiert.
Wie viele Quantencomputer gibt es aktuell auf der Welt?
Gefühlt weniger als 100. IBM hat, soweit ich weiß, die meisten Computer aufgebaut, weltweit etwa vierzig. Einer davon steht in Deutschland, in Ehningen, bei der Fraunhofer-Gesellschaft. Dann gibt es noch andere Firmen, die ein paar Computer haben oder bei sich im Labor untersuchen. Wir mit SaxonQ sind jetzt gerade beim sechsten.
Wie sieht euer Geschäftsmodell aus?
Im Moment kaufen Early Adopters, also technikaffine Organisationen und Personen, die in diese neue Technologie frühzeitig einsteigen, unsere Hardware. Bei uns im Labor haben wir zwei Arten von Maschinen: Der eine Computer ist der, an dem wir die nächste Generation entwickeln, die doppelt so viele Qubits hat. Die anderen Computer sind die, die wir für die Bestellungen mit verschiedenen Komponenten und unserem Quantenchip für Kunden zusammenbauen.
Wie teuer ist so ein Quantencomputer?
Aktuell liegt ein Quantencomputer preislich im Millionenbereich. Perspektivisch wird das Prozedere künftig vereinfacht, sodass wir einen finanziell günstigeren Computer anbieten können.
Was macht eure Quantencomputer noch besonders?
Die meisten Quantencomputer muss man auf minus 273 Grad kühlen und vor kleinsten Erschütterungen schützen. Für unsere Technologie braucht man durch die sehr stabilen Qubits diese aufwändige Peripherie nicht, sodass man unseren Quantencomputer mobil und portabel anwenden kann. Man kann ihn einfach in eine Büroumgebung stellen.
Die Idee dabei ist, dass unsere Quantencomputer immer kleiner und leichter werden, sodass sie irgendwann im Auto verbaut werden können, für das autonome Fahren oder Ähnliches. Das ist ein einmaliger Wettbewerbsvorteil.
Wie groß sind eure Quantencomputer?
Etwa ein halber Kubikmeter – so groß wie ein kleiner Weinkühlschrank.
Wie seid ihr mit der Uni Leipzig verbunden?
Wir sind ein Startup der Uni Leipzig. Die Universität hat uns über viele Jahre lang in der Grundlagenforschung unterstützt. Und nicht vergessen: Vor etwa 100 Jahren wurde an dieser Uni die Quantenmechanik, die wir heute nutzen, entdeckt!
“SaxonQ ist eine Erfolgsgeschichte für den Transfer aus dem Elfenbeinturm der Wissenschaft, in die Praxis, in die industrielle Anwendung.” (Marius Grundmann)
Grundsätzlich ist es ein politisches Ziel, deutsche Forschungsleistungen auch in die Volkswirtschaft zu bringen und so Arbeitsplätze zu schaffen, Gewinne zu erwirtschaften und Steuergelder wieder zurückfließen zu lassen.
Gibt es noch andere Gründe, weshalb ihr in Leipzig geblieben seid?
Die Uni Leipzig hat neben ihrer Tradition in diesem Gebiet gute Voraussetzungen und eine hervorragende Ausstattung, diese Forschung durchzuführen; wir sind ein sehr drittmittelstarkes Institut und Fakultät insgesamt. In der Region gibt es noch viele andere industrielle Partner und Institute, mit denen wir zusammenarbeiten, zum Beispiel das Leibniz Institut für Oberflächenmodifizierung. Auch das Dresdner Silicon Saxony ist für die Fabrikation des Chips eine gute Adresse.
Darüber hinaus haben wir noch eine Schwesterfirma, die Quantum Technologies GmbH. Sie stellen Quantensensoren her, die ebenfalls auf NV-Zentren beruhen. Mit diesen können sie Magnetfelder detektieren, etwa in Überlandleitungen oder im E-Auto. Auch sie ist eine erfolgreiche Ausgründung der Uni Leipzig, ebenfalls aus dem Quantenbusiness. Generell kommen viele Mitarbeitende aus dem Uni Umfeld aus Leipzig; dieser Talentpool ist einfach unbezahlbar.
Was sind eure Chancen und was sind eure größten Herausforderungen?
Die größte Herausforderung ist die technische Entwicklung. Mit SaxonQ stehen wir aktuell weltweit bei NV-Zentren an der Spitze und möchten diesen Vorsprung natürlich ausbauen. Dabei ist es eine Chance, dass man noch nicht weiß, wer den Markt aufrollen wird.
Eine weitere Chance ist, dass wir mit der digitalen Rechentechnologie, die wir gerade haben, jetzt schon an Grenzen stoßen. Etwa beim autonomen Fahren oder ähnlichen Themen, die wir mit dem iPhone oder Cloud-Geräten bedienen, sind wir uns oft gar nicht darüber bewusst, wie viel Rechenleistung in Rechenzentren ausgelagert ist. Auch da werden wir in Zukunft neue Technologien brauchen, etwa Quantencomputer – am besten mobil und portable.
Wenn ihr Gründenden einen Tipp geben könntet, was wäre das?
Gründende sollten vorab genügend Kapital einsammeln und immer eine:n Rechtsanwält:in in der Firma haben. Denn Schutzrechte sind definitiv wichtig. Man sollte sein Startup zudem als persönliches Ziel sehen, da man so viel Herzblut, Zeit und Teammotivation investiert.
Was sind eure Ziele in der Zukunft?
Die Expansion in andere Länder. Wir wollen nicht nur in Deutschland verkaufen, sondern europaweit und in Übersee. Hier entsteht gerade ein riesiger Markt. Das ist das Spannende daran, denn da steht ein großer Bedarf und auch viel Kapital dahinter. Schon wenn wir nur einen kleinen Teil dieses Marktes abdecken, stecken wir im Milliardenbereich.
Lieber Marius, vielen herzlichen Dank für das spannende Interview. Wir sind gespannt, wo euch die Reise mit SaxonQ noch hinführen wird, und wünschen euch viel Erfolg und alles Gute!