Katana Labs hat eine Künstliche Intelligenz entwickelt, mit der Krebszellen in Sekundenschnelle ausgezählt werden können. Wir haben für euch mit Dr. Falk Zakrzewski, Co-Gründer der Katana Labs aus Dresden, gesprochen.
Lieber Falk, Wie ist die Idee zu KatanaLabs entstanden?
Ich habe Biologie studiert und in Bioinformatik promoviert. Dabei hatte ich viele Berührungspunkte, insbesondere mit dem DKFZ (Deutsches Krebsforschungszentrum) oder am NCT Dresden (Nationales Tumorforschungszentrum), im Bereich der translationalen Tumorforschung. Dabei war es schon immer spannend, die Forschungsprojekte mitzuerleben, mitzugestalten oder einfach nur zu beobachten. Es reizte mich, sich über das Niveau einer klassischen Forschung hinwegzuheben und daraus Lösungen zu bauen, die dann auch tatsächlich Anwendung in der Praxis finden. Meine Motivation war, dass aus den Forschungsgeldern auch Produkte entstehen und sich damit Unternehmen gründen, die dann wieder in den Wirtschaftskreislauf zurückwirken.
Was war der erste Schritt zur Gründung?
Wichtig war in erster Linie, ein sehr gutes Team zu finden, das verschiedene Fachbereiche abdeckt. Die Herausforderung bestand darin, die Mediziner:innen, mit den Informatiker:innen oder KI-Expert:innen zusammenzuführen. Letztlich möchten wir ja alle das Gleiche: Neue Innovationen generieren, die einen großen Mehrwert für die Krebsbehandlung, für die Krebstherapie, für die Krebsdiagnostik bringen. Vor der Katana Labs gab es bereits ein Startup namens asgen, das wir damals aus der TU Dresden ausgegründet haben. Die treibende Kraft dabei war, dass wir feststellen mussten, dass Forschungsprojekte immer nur zwei, drei Jahre dauern – und danach Innovationen verloren gehen, qualifizierte Wissenschaftler:innen gehen und das im Projekt gesammelte Wissen nicht weiter ausgebaut wird.
Unsere Idee war, dass man eine Art Inkubator, in unserem Fall die asgen, gründet, in der das Wissen und die Menschen bewahrt werden und mittels Bootstrapping versucht wird, neue Produkte zu entwickeln. Aus diesem Inkubator heraus haben wir letztlich die Katana Labs gegründet. Das war im April 2023. Mittlerweile sind wir acht Mitarbeiter:innen im Team der Katana Labs.
Wie habt ihr euch in der Katana Labs finanziert?
Wir waren zu ungeduldig für Startup-Förderprogramme, obwohl es hier in Dresden und Region einige gibt und das sicher ein besserer Weg gewesen wäre im Hiblick auf eine Anschubfinanzierung. Die Katana Labs selbst ist direkt aus der asgen hervorgegangen. Wir haben von vielen Seiten die Rückmeldung bekommen, dass wir sehr gute prototypische Software für die Krebsdiagnostik entwickeln und das hat damals schon Investor:innen angelockt. Um uns im Bereich Krebsdiagnostik zu spezialisieren und das Team noch einmal neu aufzustellen, haben wir schließlich die Katana Labs aus der asgen heraus gegründet, in die dann auch gleich erste Investor:innen für eine erste Finanzierung mit eingestiegen sind.
Was macht ihr bei Katana Labs genau?
Wir entwickeln Softwarelösungen, die durch KI unterstützt werden – und das im Bereich der bildbasierten Krebsdiagnostik und dort im Besonderen im histopathologischen Segment.
Wenn ein Tumor entfernt wird oder eine Biopsie entnommen wird, also eine kleine Tumor-Probe, dann wandern diese Proben in der Regel immer in die Pathologie. In Pathologien arbeiten hochspezialisierte Ärzt:innen, die Patholog:innen, die diese Proben analysieren. Dabei bereiten sie diese Proben auf und färben diese mit bestimmten Stoffen, um verschiedene Biomarker sichtbar zu machen. Dann schauen sie sich das als Dünnschnitt präparierte Gewebe unter dem Mikroskop an und treffen Entscheidungen darüber, welche Ausprägung der Tumor hat, welcher Grad es ist und welche Therapie daraus abzuleiten ist.
Diese Prozesse werden weitestgehend manuell durchgeführt. Ein:e Patholog:in verbringt in der Regel daher einen Großteil der Zeit am Mikroskop. Diesen Prozess kann auch automatisiert werden, indem zum Beispiel KI-Assistenzsysteme anwendet werden. Über digitalisierte Gewebaufnahmen kann die KI-Assistenz gleichermaßen eine Analyse durchführen, die sonst der oder die Patholog:in vollzieht. Dadurch kann viel Zeit gespart werden. Der oder die Patholog:in kann den Krebs an seinem Bildschirm direkt in Form eines virtuellen Mikroskops anschauen und mit Hilfe der KI-Assistenz eine schnelle Analyse durchführen.
(c) Katana Labs
So sieht das virtuelle Mikroskop der von Katana Labs entwickelten Software "PAIKON" aus.
Hier sieht man das Interface des digitalen Mikroskops: Auf den ersten Blick sieht es aus wie eine Landkarte. Es handelt sich jedoch um eine Brustkrebsstanze. Sie ist langgezogen, da mittels einer Nadel Gewebe entnommen wurde. Die kleinen Kügelchen sind Tumorzellen, die eingefärbt wurden und dadurch blau leuchten. Gleichzeitig sieht man rote und grüne Punkte: Das sind Gen-Signale. Durch Katana Labs ist die im digitalen Mikroskop aktive KI-Assistenz nun auch auf Fluoreszenz-Ebene einsetzbar, wodurch sie wesentlich besser zu analysieren sind. Die ursprüngliche Aufgabe der Patholog:innen war es, diese Tumorzellen und Gensignale zu zählen. Dank der Katana Labs-KI hat dies nun bereits die KI-Assistenz übernommen.
Damit kann ein grundlegendes Problem gelöst werden: Da die Anzahl der Patholog:innen sinkt und die Anzahl der Krebserkrankungen weltweit steigt, hilft die KI-Assistenz den Patholog:innen auch weiterhin eine hochwertige Krebsdiagnostik aufrechtzuerhalten. Das letzte Wort haben jedoch stets die Pathologen:innen und nicht die KI.
Was sagt diese Gewebeanalyse aus?
Es gibt verschiedene Arten von Krebs: Zum Beispiel Brustkrebs, Darmkrebs, Prostatakrebs – quasi jedes Organ kann von Krebs befallen sein. Für jeden einzelnen dieser Krebsentitäten gibt es zudem noch viele verschiedene Analysetechniken. Alleine für Brustkrebs gibt es mitunter bis zu über zehn verschiedene histopathologische Routinen. Bei einer bestimmten dieser Analyseformen geht es dann darum, dass man in dem Gewebe unter dem Mikroskop Tumorzellen und in diesen Tumorzellen bestimmte Gensignale zählt. Dafür braucht es eine sehr gute und erfahrene Ausbildung. Neben der enormen Zeitersparnis kann die Katana Labs-KI alle Zellen eines gesamten Gewebes und zudem auch die Genisgnale erkennen, klassifizieren und zählen. Das ist eine Diskrepanz von etwa 50 Zellen, die der Pathologe normalerweise manuell zählt, im Vergleich zu Hunderttausenden von Zellen, die unsere KI gezählt hat – Und das in ein paar Sekunden.
Wer ist eure Zielgruppe?
Für Patholog:innen ist es sehr wichtig, dass es Lösungen gibt, die sehr gut funktionieren. Der tägliche Routine-Ablauf in einer Pathologie ist streng und straff in optimalen Workflows getaktet. Wenn jetzt unsere KI-Assistenz dazukommt, kann sie zwar viele Vorteile haben, aber es ist mitunter anspruchsvoller, diese in diese bestehenden Workflows zu integrieren.
Deswegen haben wir uns als Startup dazu entschlossen, dass wir diese KI-Produkte zwar herstellen, aber sie an Businesspartner:innen, also an Geschäftskund:innen, anderer Firmen als SaaS verkaufen, die bereits in diesem Gesamtworkflow agieren. Zum Beispiel Mikroskop- und Scannerhersteller, welche die Digitalisierung der Gewebe ermöglichen. Oder Firmen, die Chemikalien herstellen, um Gewebe anzufärben, damit man die verschiedenen Biomarker detektiert. Denn all diese Unternehmen haben schon einen sehr guten Fuß in den Pathologien. Am Ende komme die Katana Labs KI-Produkte natürlich trotzdem den Patholog:innen zugute, da diese über den Weg der erwähnten Firmenpartner schlussendlich an sie herangetragen wird.
Darüber hinaus bieten wir unsere KI-Software auch als White Label-Lösung an. Damit können wir spezifisch auf die besonderen Anforderungen der verschiedenen Businesspartner:innen reagieren und individualisierte Lösungen anbieten.
Welches Feedback bekommt ihr?
Das Feedback ist immer wieder, dass die Anwendung so einfach wie möglich sein sollte. Das heißt, wenn ein:e Patholog:in unser digitales Mikroskop plus KI-Assistenz verwendet, möchte der:die Patholog:in gerne gleich sofort das Ergebnis sehen, ohne viel Zeit dabei zu verlieren. Dabei muss die KI-Assistenz transparent und nachvollziehbare Analysergebnisse liefern. Diesen Anspruch haben wir verstanden und genau das setzen wir in unseren Produkten um.
Gibt es Konkurrenz und wie grenzt ihr euch davon ab?
Weltweit gibt es mittlerweile eine ganze Handvoll von ähnlichen KI-Startups, die in dem Bereich KI und Digitaler Pathologie aktiv sind. Insbesondere in den USA sind schon ein paar Startups gut finanziert, zum Teil schon bis in Series C oder Series D hinein. Auch Israel hat eine sehr starke Tech-Szene in diesem Bereich. In Europa ging es etwas später los. Katana Labs hat gewisse USPs für bestimmte Routinen im Bereich der Krebsdiagnostik, die andere nicht haben. So können wir etwa auf der Ebene der Zelle, des Zellkerns und sogar auf der Ebene darunter, also auf subzellulären Ebenen, wie auf Gen-Ebene oder auf RNA-Ebenes KI-Assistenzen für histopathologische Bildanalyse anbieten.
Was macht Dresden als Standort für euch besonders?
Das Universitätsklinikum Dresden ist Bestandteil der TU Dresden, ist aber eine eigenständige Einheit und agiert als eine eigene, komplexe, große Forschungsidentität auf dem klinischen Campus in Dresden. Es war wissenschaftspolitisch sehr sinnvoll, um diesen klinischen Campus herum Top-Forschungsinstitute aufzubauen, wie zum Beispiel das Max-Planck-Institut für Zell- und Molekularbiologie und Genetik, das Else-Kröner-Fresenius-Zentrum für Digital Health oder das Nationale Zentrum für Tumordiagnostik Dresden. Damit können Ärzt:innen und Wissenschaftler:innen am gleichen Standort unmittelbar zusammenkommen und neue Innovationen mit sofortiger Praxisrelevanz generieren.
Werden Patholog:innen künftig komplett von der KI ersetzt?
Die Debatte wird bereits geführt, auch unter verschiedenen Ärzt:innen. Im Moment ist das noch nicht der Fall. Jetzt müssen wir erst mal sehen, dass die sinkende Anzahl von Patholog:innen in die Lage versetzt wird, mit Hilfe von KI-Assistenzen und mit Digitalisierungssystemen die stetig höheren Krebsfallzahlen zu meistern. Irgendwann in der Zukunft ist es vielleicht auch einmal denkbar, dass man KI-Assistenzen so weit optimiert, dass sie gewisse Routinen in Pathologien autonom durchführen können. Aber an diesem Punkt sind wir aktuell noch nicht.
Was würdest Du Gründenden mit auf den Weg geben?
Es ist wichtig, dass man immer an das Team glaubt und mit dem Team vorangeht, denn von außen gibt es sehr viel Druck und sehr viele Einflüsse. Solange man kein Team hat, das auf Augenhöhe miteinander sehr gut funktioniert, wird das nichts. Also alles auf das Team setzen und zusammenhalten, auch in schwierigen und anspruchsvollen Zeiten!
Lieber Falk, herzlichen Dank für das spannende Interview und viel Erfolg mit Katana Labs! Übrigens: Das Closing der nächsten Seed-Runde für KatanaLabs ist für das Q4 2024 geplant.