Das Leipziger Startup ecoBlister wurde im Jahr 2020 gegründet und hat es sich zur Aufgabe gemacht, plastikfreie Medikamentenverpackungen herzustellen. Wie es zur Idee kam und welche Herausforderungen es in diesem Markt gibt, haben wir in einem Interview mit Gründerin Dr. Mona Syhre für euch herausgefunden.
Liebe Mona, welche Vision verfolgt ihr mit go.ecoblister – in drei kurzen Sätzen?
Wir möchten Medikamentenverpackungen plastikfrei machen. Dabei möchten wir erreichen, dass alle Patient:innen, die mehr als 4-5 verschiedene Medikamente verschrieben bekommen haben, diese wöchentlich sortiert und geprüft aus ihrer Apotheke bekommen – natürlich plastikfrei verpackt. Und wir möchten, dass diese Serviceleistung von den Kassen übernommen wird.
Wie viele Menschen sind aktuell in eurem Team?
Unser Kernteam besteht aus fünf Personen und drei Freelancer:innen. Ich bin eine geschäftsführende Gesellschafterin der go.ecoblister GmbH. Mit über 20 Jahren Erfahrung in wissenschaftlicher Forschung und Laborleitung leite ich die Produktentwicklung, Zertifizierung, Visualisierung, den Vertrieb und die Messen. Anett Tanger, die ebenfalls geschäftsführende Gesellschafterin ist, bringt mehr als 20 Jahre unternehmerische Tätigkeit in der Reise- und Touristikbranche mit und kümmert sich bei uns um das Marketing, Vertrieb und Social Media. Jan Angermann, unser Gesellschafter, verfügt ebenfalls über 25 Jahre unternehmerische Erfahrung und hat davon 15 Jahre in Vertrieb und Produktion von Automatisierungstechnik für Apotheken gearbeitet. Wir drei sind Geschwister.
Wie kam euch die Idee zu dem Produkt?
Dieser sogenannte „Tablettenservice“, um den es bei uns geht, hat sich in anderen Ländern längst etabliert. Ich habe sehr lange in Neuseeland gelebt und diese „compliance packs“ dort vor Ort in der Praxis erlebt. Das Gesundheitssystem dort hat einfach erkannt, dass durch diese Lösungen die Therapietreue erhöht – und die Kosten durch eine Fehlmedikation reduziert – werden. Deshalb wird dieser Service auch vom Gesundheitssystem bezahlt.
Diese Art der Patient:innenversorgung ist super, allerdings gab und gibt es auch Vorbehalte, da diese Zweitverpackung immer aus Plastik war und meistens noch ist. Deshalb lautet unser konsequenter Ansatz: die Therapietreue und Komfort mit Nachhaltigkeit verbinden. Das haben wir getan.
"Unser Ziel: Therapietreue und Komfort mit Nachhaltigkeit verbinden."
Wann und wo habt ihr gegründet?
Wir haben in Leipzig im Jahr 2020 gegründet. Wir haben uns für diesen Standort entschieden, weil wir hier wohnen – Leipzig ist unsere Heimat.
Wie habt ihr euch am Anfang vs. jetzt finanziert?
Wir hatten zunächst ein paar bescheidene Eigenmittel, haben einen GLS-Kredit aufgenommen und wurden von einem Business Angel unterstützt. Wir suchen aktuell noch Investor:innen – jedoch keine reinen Geldgeber, sondern echte Multiplikator:innen aus der Branche.
Wer genau ist eure Zielgruppe?
Unsere Zielgruppe sind in erster Linie Apotheker:innen, da die Wochenpackungen durch diese auch befüllt werden. Die meisten älteren Menschen – aber auch z.B. Ärzt:innen – wissen nicht, dass es diese Möglichkeit seitens der Apotheken geben könnte, da diese kaum Werbung dafür machen.
Pflegedienste, auf der anderen Seite, werden für diese Dienstleistung entlohnt. Wir finden, das ist eine sehr seltsame Situation. Deshalb versuchen wir, Pflegedienste und Apotheken zusammenzubringen und gleichzeitig die Patient:innen und neuerdings auch Ärzt:innen darüber zu informieren, dass es diesen Service gibt. Eine richtige Mammutaufgabe!
War es schwer, in eurer Branche “Fuß zu fassen”? Was macht eure Branche besonders?
Nichts ist einfach – und nichts ist unmöglich. Aber dass wir in unserem Kernteam alle schon Erfahrung mit der Apothekenbranche und der Automatisierung seit fast 20 Jahren haben, ist sehr hilfreich.
Die Vorschriften in der Apotheker:innenwelt sind zum Teil unrealistisch. Als Beispiel: Im Apothekenbereich gelten für diesen Tablettenservice ähnliche Vorschriften wie für das eigentliche Herstellen von Medikamenten in der Pharmabranche – für Pflegedienste dagegen jedoch nicht. Vergleicht man nun, wie jeden Sonntagabend, unter Umständen, auf 4 Mio. Küchentischen zu Hause die Tabletten in Plastikdosetten einsortiert werden, dann ergibt das alles keinen Sinn.
"Wichtig wäre doch das Outcome: nämlich, wie die ca. 25.000 Todesfälle und die 250.000 Krankenhauseinweisungen jährlich, die auf Polymedikation zurückzuführen sind, vermieden werden können."
Gibt es Konkurrent:innen mit ähnlichen Produkten?
Es gibt Plastikprodukte (Wochenblister) – entweder als Schlauch oder als Wochenkarte. Es gibt jedoch noch keine Medikamentenverpackung, die plastikfrei, aus nachhaltigen europäischen Rohstoffen und nach Gebrauch hauskompostierbar ist. Da ist unser ecoblister weltweit bisher einzigartig. Deshalb haben wir unser System auch patentieren lassen.
Was läuft bei euch gerade besonders gut?
Wir haben unsere Argumente bezüglich der Frage "Warum muss die Apotheke diesen Tablettenservice des Verblisterns anbieten, um zu überleben“ in den letzten Monaten sehr geschärft. Das heißt, wir haben den Markt, die Transition und die Bedürfnisse der Menschen nun ziemlich durchdrungen. Wir haben zu diesem Zweck auch eine Blisterakademie gegründet.
Die Vor-Ort Apotheken müssen sich vom Schachtelhonorar hin zu echten Serviceleistungen bewegen. Das fällt schwer, ist aber notwendig, um die Stammkunden nicht an Versandapotheken zu verlieren. Wir können sie mit unseren Produkten dabei unterstützen, und durch den Nachhaltigkeitsaspekt noch einen zusätzlichen Mehrwert für die Kund:innen generieren.
Was sind eure aktuellen Hürden und Schwierigkeiten?
Jedes Business hat Probleme aufgrund der Inflation, gesellschaftlicher Entwicklung, Personalmangel und Zeitmangel wegen Bürokratie. Der Gesundheitssektor ist, wie alle wissen, da keine Ausnahme. Die Apotheker:innenschaft als unsere wichtigste Kund:innengruppe klebt leider noch zu sehr in den Geschäftsmodellen der Vergangenheit, statt sich aktiv den Serviceleistungen für ihre Kunden zu widmen. Außerdem sind die 100 Krankenkassen ja auch noch mit im Boot.
Was sind eure Projekte und Visionen für die Zukunft?
Vision 1: Alle Patient:innen mit Polymedikation haben ein Anrecht auf vorsortierte und geprüfte Medikation aus der Apotheke.
Vision 2: Medikamentenverpackung wird als Einmalplastik verboten.
Vision 3: Wir bündeln unser Wissen mit einem/einer Partner:in aus der Pharmaindustrie und bringen die erste kompostierbare Primärverpackung auf den Markt. Einen Prototypen und die entsprechenden Stabilitätsdaten haben wir schon. Für die Umsetzung suchen wir noch einen wirklich innovativen Pharmahersteller, der z.B. eine Auswahl seiner Produkte mal ganz anders verpacken würde.
Welche Ratschläge würdet ihr Gründenden mit auf den Weg geben?
Nicht aufgeben.
Liebe Mona, vielen herzlichen Dank für das tolle Interview und viel Erfolg bei eurem Konzept!