Der Ampel-Koalitionsvertrag liest sich vielversprechend – und kratzt in vielen Passagen doch nur an der Oberfläche. Der deutschen Startup- und Innovationslandschaft widmen die Koalitionsparteien eine ganze Seite. Das Versprechen: Eine „umfassende Startup-Strategie“. Auch werden einzelne Branchen betont, die in Zukunft stärker gefördert werden sollen. Doch was lässt sich konkret für die Region Mitteldeutschland aus dem Koalitionsvertrag herausarbeiten? Wir haben für euch die wichtigsten Passagen zusammengefasst.
Eine umfassende Startup-Strategie für Deutschland
„Mehr Fortschritt wagen“. Im Koalitionsvertrag halten die Ampel-Parteien SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP fest, was in dieser Legislaturperiode für eine umfassende Modernisierung Deutschlands getan werden muss. Das Potenzial der Digitalisierung in Staat und Gesellschaft soll besser genutzt, der Wirtschafts- und Technologiestandort Deutschland durch die Förderung von Schlüsseltechnologien nachhaltig gestärkt werden. Das klingt so:
„Wir haben Lust auf Neues und werden technologische, digitale, soziale und nachhaltige Innovationskraft befördern. [… ] Wir werden digitale Schlüsseltechnologien fördern und die Bedingungen für Start-ups am Technologiestandort verbessern.“ – Seite 8, Ampel-Koalitionsvertrag
Die Regierungsparteien versprechen zahlreiche Maßnahmen und Investitionen. Durch eine „umfassende Startup-Strategie“ (S. 30) und die Erweiterung von Förderinstrumenten sollen Startups und ausgewählte Branchen künftig umfassender unterstützt werden. Deutschland als „führender Startup-Standort in Europa“ (S. 169), lautet das Ziel.
Aber was genau bedeutet das nun für die Region? Konkret werden Startups aus der Region Mitteldeutschland (oder an anderen Standorten) im Koalitionsvertrag nicht adressiert. Jedoch will die neue Regierung einzelne Branchen, die für zukunftsfähige Technologien eine Rolle spielen, besonders stark fördern. Das bedeutet im Umkehrschluss auch neue Chancen für Startups, die beispielsweise KMUs als Kunden für ihre innovativen Technologien gewinnen möchten oder selbst in der jeweiligen Branche unterwegs sind.
Für die Region Mitteldeutschland sind die Themen Wasserstoff, Halbleiter und Mikrochips und die Elektromobilität besonders spannend.
Welche Branchen in Mitteldeutschland profitieren
Wasserstoff
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„Wir fördern in Deutschland die Produktion von grünem Wasserstoff.“ – Seite 26
Finanzielle Unterstützung und Förderungen verspricht der Ampel-Koalitionsvertrag für Unternehmen in der Wasserstoffbranche. Davon profitieren könnten auch Wasserstoffregionen wie die Lausitz oder Weimar. Das sächsische Landeskabinett beschloss erst kürzlich ihre Wasserstoffstrategie, mit der sich Sachsen durch zusätzliche Maßnahmen zum führenden Technologie-Standort in Sachen Wasserstoff entwickeln soll.
Der Bund plant den Ausbau der Transport- und Importinfrastruktur. Förderprogramme sollen außerdem effizienter gestaltet werden. Bis 2030 soll Deutschland zum Leitmarkt für Wasserstofftechnologien werden und die Elektrolysekapazität auf 10 Gigawatt (GW) ansteigen. Derzeit liegt die Kapazität europaweit bei etwa 0,2 GW.
Vor diesem Hintergrund stellte das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) bereits finanzielle Mittel für den Ausbau der Fertigungskapazitäten zur Verfügung. Mit insgesamt 60 Millionen Euro werden ausgewählte Elektrolyseunternehmen – darunter auch das Unternehmen Sunfire GmbH aus Dresden – für die Entwicklung und Serienfertigung innovativer Hochtemperatur-Elektrolyseure (SOEC) und Druck-Alkali Elektrolyseure gefördert.
Halbleiter und Mikrochips
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Auch die deutsche Halbleiterbranche möchte der Bund in dieser Legislaturperiode finanziell hinreichend unterstützen. Staatliche Förderungen könnten hier auch direkt den Mikroelektonik-Cluster Silicon Saxony betreffen. Die Region um Dresden ist der größte Mikroelektronikstandort in Europa mit circa 250 Unternehmen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Im Koalitionsvertrag heißt es hierzu:
„Wir wollen Deutschland zum globalen Standort der Halbleiterindustrie machen. Dazu soll die deutsche Halbleiterbranche entlang der gesamten Wertschöpfungskette auch finanziell hinreichend unterstützt werden, um diese Schlüsseltechnologie in Europa zu sichern, zu stärken und zukunftssicher auszubauen.“ – Seite 26
Automobilbranche (Elektromobilität)
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Die Elektromobilität bleibt weiterhin das dominierende Thema in der Automobilbranche. Deutschland soll künftig Zentrum für die Forschung, Fertigung und das Recycling von Batteriezellen werden. In den Automobilregionen soll durch gezielte Clusterförderung der Wandel zur Elektromobilität unterstützt und weitere Zellproduktionsstandorte in Deutschland etabliert werden:
„Wir machen Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität, zum Innovationsstandort für autonomes Fahren und beschleunigen massiv den Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur. Unser Ziel sind mindestens 15 Millionen vollelektrische Pkw bis 2030.“ – Seite 27
Das betrifft ebenfalls die Automobilindustrie in Thüringen und Sachsen-Anhalt. Auch das Autoland Sachsen fällt darunter. Mit fünf Fahrzeug- und Motorenwerken beherbergt es nicht nur Big Player wie Volkswagen, BMW und Porsche, sondern ebenfalls zahlreiche Startups, die als Zulieferer und Ausrüster fungieren. Unter anderem die Additive Drives GmbH aus Dresden, die 2021 den IQ Innovationspreis im Cluster Automotive gewann. Das Startup stellt das komplexeste Bauteil im Elektromotor, die Wicklung, mittels 3D Druck her und verkürzt damit die Entwicklungszeiten für Elektromotoren erheblich.
Auch der AK Hahn von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg reiht sich in die Riege der Leitprojekte ein, die künftig mehr in den Fokus staatlicher Förderung für die Elektromobilität rücken könnten. Der Arbeitskreis entwickelte einen effizienten Kühlstoff, welcher Batterien vor Überhitzung schützt und sie somit langlebiger und praxistauglicher macht.
Weitere Investitionen kündigt die neue Ampel-Regierung für die Bereiche Künstliche Intelligenz, Quantentechnologien, Cybersicherheit und Distributed-Ledger-Technologien an. Auch Entwicklungen in der Robotik-Branche möchte der Bund stärker unterstützen. Hiervon profitieren könnte der Standort Dresden, Heimat des Startup-Sterns Wandelbotsund Austragungsort des Robotics Festivals. Eine Verstetigung der Förderung sieht der Koalitionsvertrag für die Gaming-Branche vor.
Die Startup-Strategie der Ampel im Überblick
Neben den Maßnahmen für einzelne Branchen, plant die Ampel-Regierung im Allgemeinen ein umfassendes Strategiepaket für Startups. Wenn auch an vielen Stellen noch unpräzise, lässt der Koalitionsvertrag einige Lichtblicke zu, was sich auch für Gründer:innen in Mitteldeutschland in Zukunft verbessern könnte.
Ausbau der Förderlandschaft
Damit die zahlreichen Investitionen und Fördermaßnahmen finanziell auch gestemmt werden können, soll die staatliche Förderbank KfW künftig als neuer Co-Wagniskapitalgeber auftreten, zu dem auch Gründerinnen besseren Zugang erhalten sollen. Ein Gründerinnen-Stipendium soll den Gründerinnen-Anteil im Digitalsektor erhöhen.
Versicherungen und Pensionskassen sollen stärker als Investoren für zukünftige Finanzierungsrunden hinzugewonnen werden. In den Investment-Komitees von staatlichen Fonds und Beteiligungsgesellschaften sollen zudem mehr Frauen beteiligt werden. Weitere, bewährte Förderinstrumente sollen auf ihre Effizienz geprüft und ausgeweitet, die Innovationsförderung und -finanzierung entbürokratisiert und gestärkt werden. Gleichzeitig sieht der Vertrag eine konsequente Öffnung der Förderung für soziale und ökologische Innovationen vor.
Auch Börsengänge werden erleichtert. Durch Dual Class Shares soll die Kapitalerhöhung durch Aktien mit unterschiedlichen Stimmrechten erleichtert werden. Gründer:innen können somit ihr Unternehmen für neues Kapital an die Börse bringen, ohne ihr Mehrstimmenrecht zu verlieren.
Startups sollen darüber hinaus einen vereinfachten und rechtssicheren Zugang zu öffentlichen Aufträge des Staates erhalten. Das soll insbesondere „Gov- und EduTech-Startups“ (S. 19) betreffen.
Vage bleibt der Koalitionsvertrag hinsichtlich der Venture-Capital- und Spätphasenfinanzierung von Startups, die lediglich „gestärkt“ (ebd.) werden sollen. Auch bleibt beim Thema „Mitarbeiterkapitalbeteiligung für Startups“ (ebd.) die Nennung konkreter Maßnahmen aus. Lediglich eine Erhöhung des Steuerfreibetrags ist vorgesehen.
Die Wirtschaft sozialer gestalten
In den vergangenen Jahren heiß diskutiert, nun findet das Thema auch Platz im Koalitionsvertrag. Verantwortungseigentum oder Gesellschaften mit „gebundenem Vermögen“ (S. 30) lautet hier das Stichwort. Hierfür soll in dieser Legislaturperiode eine Rechtsgrundlage geschaffen werden, um gemeinwohlorientiertes Wirtschaften stärker zu fördern. Guthaben auf verwaisten Konten werden als Förderquelle in Erwägung gezogen. Nach Schätzung des Social Entrepreneurship Netzwerks Deutschland (Send) könnten bis zu neun Milliarden Euro auf solchen Konten liegen.
Bürokratie und Sicherheit
Die Mühlen der Bürokratie mahlen bekanntlich langsam und können Gründungsvorhaben erheblich beeinträchtigen. In der neuen Legislaturperiode sollen Abläufe und Regeln für Selbstständige, Unternehmerinnen und Unternehmern durch ein neues „Bürokratieentlastungsgesetz“ (S. 32) erleichtert und überflüssige Bürokratie abgebaut werden.
Sogenannte „One Stop Shops“ (S. 30) sollen für Gründer:innen künftig als Anlaufstellen für Gründungsberatung, -förderung und -anmeldung errichtet werden. Innerhalb von 24 Stunden sollen Gründungen über eine Anlaufstelle ermöglicht werden.
Wissenstransfer zwischen Forschung und Wirtschaft
Universitäten und Hochschulen spielen für das Startup-Ökosystem als Innovationstreiber nach wie vor eine große Rolle. Eine Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (DATI) soll künftig den Wissenstransfer zwischen Unis und der Wirtschaft stärken, um soziale und technologische Innovationen auch in Zusammenarbeit mit Startups zu fördern und voranzutreiben. Für die Hochschulen sollen die Mittel zur Schaffung einer Gründungsinfrastruktur für technologisches wie soziales Unternehmer:innentum bereitgestellt werden, um Ausgründungen zu befördern.
Fazit
Unterm Strich halten wir fest, dass sich die Pläne der neuen Ampel Regierung für Startups gar nicht mal so schlecht anhören. Zwar ist der Vertrag wie gewohnt vage formuliert, jedoch freuen wir uns über einige konkrete Pläne. Die Förderung zukunftsfähiger Branchen kommt in Teilen auch der mitteldeutschen Startup-Szene zugute. Wir bleiben an dem Thema dran und sind gespannt, wie die Umsetzung erfolgen wird.