Foto: eCovery/Florian Pappert
Das Team von eCovery arbeitet an einer App um die Physiotherapie zu digitalisieren. Dabei fließt vielfältiges Wissen der Teammitglieder in die Innovation ein.
Das eHealth Startup eCovery ist gerade auf Erfolgskurs. Im vergangenen Jahr hat das Team rund um Gründer Benedict Rehbein eine Finanzierungsrunde erfolgreich abgeschlossen. Warum für das Startup aus Leipzig vor allem der Faktor Diversität eine entscheidende Rolle für den Erfolg spielt, darüber haben wir mit dem Gründer, Jimena Soto-Montero (Product Design), Dr. rer. nat. Katja Krempler (Qualitätsmanagement), Lukas König (Entwickler) sowie Hannes Seidel (Entwickler) gesprochen.
Beim virtuellen „Coffee Table“ haben wir uns mit dem Team von eCovery darüber unterhalten, warum sie dank ihrer diversen fachlichen Hintergründe erfolgreich sind.
Diversität mach Startups erfolgreicher, oder?
Für den Erfolg eines Startups gibt es wie so oft ganz unterschiedliche Formeln. Am Ende kommt es aber immer auf die Menschen an, die hinter einem innovativen Produkt stehen. Und ein Faktor, den ein gutes Team ausmacht, ist bekanntlich Diversität. In erster Linie bedeutet Diversität Vielfältigkeit. Diese äußert sich beispielsweise innerhalb eines Teams in der Vielfalt von Geschlecht, Alter, Nationalität, Bildungshintergrund, aber auch sexueller Identität, Weltanschauung oder Sozialisation.
Zahlreiche Studien haben bereits eine Korrelation zwischen dem Erfolg eines Unternehmens oder Startups und der Diversität dessen Teams verknüpft. Und Startups sind schon lange bekannt dafür, besonderen Wert auf Diversität innerhalb des Teams zu legen. Das zeigt sich im Fall des Leipziger eHealth Startups eCovery vor allem in Bezug auf die unterschiedlichen fachlichen Hintergründe des Teams. Wie man als Doktorin der Biologie Qualitätsmanagerin in einem Startup wird und was es bedeutet, als querschnittsgelähmte Person eine App für PhysiotherapeutInnen und ihre PatientInnen zu entwickeln, darüber haben wir mit dem Team von eCovery gesprochen.
Nicht nur divers, sondern auch mutig – warum ein Abschluss nicht alles ist
Lukas König ist ganz neu dabei im Team von eCovery. Er programmiert Code für die Sensorik-App, die das Startup für PhysiotherapeutInnen entwickelt, damit diese ihre PatientenInnen auch daheim bei den Ausführungen ihrer Übungen unterstützen können. Getroffen hat er sein Team noch nie in echt, denn Corona hat fast alle aus den Büros in Leipzig ins Home-Office verbannt. Dennoch hat er bei dem Team aus Leipzig als Entwickler eine Aufgabe gefunden, die ihn erfüllt.
„Mir hat es noch nie so viel Spaß gemacht, abends um 8 Uhr noch an Fehlern herumzubasteln“, erinnert sich Lukas an den Abend des Launchs der eCovery App.
Programmieren hat er nicht an der Uni oder während einer Ausbildung gelernt. Bevor Lukas dem Team von eCovery beigetreten ist, war er ausgebildeter Schwimmmeister. Das Programmieren hat ihn aber bereits in der Schulzeit begeistert, deshalb hat Lukas sich Ende 2017 „Dart“ beigebracht, eine Programmiersprache aus dem Google-Framework Flutter. Seit Anfang Dezember letzten Jahres unterstützt er das Team von Benedict Rehbein. Dass eCovery ihn eingestellt hat, obwohl er das Programmieren im Alleingang gelernt hat, bezeichnet er in der Retrospektive selbst mit einem Schmunzeln als „ganz schön mutig“.
Aber wenn Startups etwas sind, dann mutig. Gerade deshalb gelingen ihnen auch Dinge, an denen etablierte Unternehmen oft scheitern. Denn am Ende zählt vor allem, was MitarbeiterInnen dazu motiviert, einen guten Job zu machen. Bei Menschen, die ein Startup gründen oder in einem arbeiten, entsteht diese Motivation oft intrinsisch. So war es auch für Jimena Soto-Montero und Hannes Seidel.
Impact First – der Faktor der intrinsischen Motivation in diversen Startups
Beide haben ihre eigenen persönlichen Erfahrungen mit dem Thema Reha im Sportbereich gemacht. Nach einer Knieoperation beschäftigte sich Jimena mit dem Thema der digitalen Physiotherapie. Ihre Rolle als Produktdesignerin besteht vor allem darin, die User-Experience der App zu optimieren. Als Schnittstelle zwischen dem Team und den PatientInnen sorgt sie dafür, das Training für Letztere so reibungslos wie möglich zu gestalten.
„Ich möchte das Engagement bei den PatientInnen fördern und herausfinden, wohin sich die digitale Gesundheit entwickelt und wie man die Gesundheit der Gesellschaft auf einer allgemeinen Basis wie dieser in Zukunft noch weiter verbessern kann“, erklärt sie im Gespräch mit Startup Mitteldeutschland.
Foto: eCovery/Florian Pappert
Jimena Soto-Montero – Produkt Design
Auch Hannes Seidel treibt der Gedanke an, an etwas zu arbeiten, das Menschen wirklich weiterhilft und im Sinne ihrer Gesundheit ist. Er ist seit April 2020 Entwickler bei eCovery und beschäftigt sich mit den Sensoren, die das Startup nutzt, um die korrekte Ausführung der Übungen für die PatientInnen daheim zu unterstützen. Hannes ist studierter Umweltingenieur und sitzt seit einem schweren Sportunfall im Rollstuhl.
Danach hat er sein Masterstudium abgebrochen und sich in verschiedenen Projekten damit beschäftigt, wie man Physiotherapie und Technologien miteinander verknüpfen kann. Bei eCovery fließen seine eigenen Erfahrungen jetzt in den Prozess der Entwicklung einer Innovation ein, welche die Lebensqualität vieler Menschen mit der Hilfe von Technik kontinuierlich verbessert.
Sowohl Hannes als auch Lukas haben sich die technischen Aspekte ihres Jobs selbst angeeignet, Jimena ist ausgebildete Produkt Designerin. Was sie alle verbindet ist die gemeinsame Motivation im eHealth Bereich ein Produkt zu schaffen, das einen echten Impact hat.
Diverses Wissen bedeutet flache Hierarchien und mehr Flexibilität
Ein diverses Team profitiert vor allem von dem verschiedenen Wissen und den Erfahrungen der Individuen. So können interne Strukturen wie klassische Hierarchien aufgebrochen werden, was wiederum zu mehr Innovation führt. Diesen Vorteil macht sich auch eCovery zu Nutzen.
„Bei uns ist Hierarchie Effektivität unterworfen. Das bedeutet, dass nicht das Teammitglied mit der höchsten Ausbildung Entscheidungen trifft, sondern derjenige, der die meiste Erfahrung hat und es deshalb auch am besten weiß. Es ist insgesamt ein rationales, konsequentes und logisches Arbeiten.“, erklärt Hannes.
Weniger Hierarchie bedeutet im Umkehrschluss auch mehr Flexibilität für alle Teammitglieder. Wenn man aus einer Umgebung in ein Startup kommt, in der feste Hierarchien und Arbeitsabläufe Standard waren, kann das ganz schön ungewohnt sein. Das musste auch Dr. rer. nat. Katja Krempler erst einmal lernen. Die promovierte Biologin fand nach ihrer Doktorarbeit zu eCovery und kümmert sich dort um den Bereich Qualitätsmanagement (QM).
Von ihrer Leidenschaft für Tabellen und der umfangreichen Erfahrung in der Protokollierung ihres Studiums und während der Promotion profitiert sie jetzt, wenn es darum geht, ein QM-System für die Zertifizierung als Medizinprodukt – und später vielleicht „App auf Rezept“. Auch wenn sie es sich anders vorgestellt hatte, direkt nach der Promotion in ein Startup einzusteigen, war für Katja die richtige Entscheidung. Ihre Arbeit ist sinnvoll und stiftet Wert für die Gesellschaft.
Florian Pappert
Dr. rer. nat. Katja Krempler – Qualitätsmanagement
Teamwork ist ein Prozess – Kommunikation und ständiges Lernen sind der Schlüssel
Ein Startup mit einer Mission und dahinter ein Team mit völlig verschiedenen fachlichen Hintergründen. Wie schafft man es da, alle auf einen Stand zu bringen und vor allem zu halten? Das ist die Aufgabe von Gründer Benedict Rehbein. Als Gründer, gelernter PR-Berater und Kommunikations- & Medienwissenschaftler (M.A.) hält er seinem Team den Rücken frei, sodass sich alle auf ihre Arbeit fokussieren können. Dabei gehe es vor allem um strukturelles Projektmanagement, erklärt uns Benedict.
Aktuell zählt das eCovery Team 12 Leute, die sich um das Produkt, HR, Finanzen, die klinische Abteilung und das Marketing kümmern. Zugleich unterstützt die Universität Leipzig das Projekt mit Forschungsstellen und Know-how aus der Universitätsmedizin. Da kommt eine Menge komplexes Wissen zusammen. Die Corona-Situation macht es auch nicht gerade leichter, eine effiziente gemeinsame Kommunikation zu gewährleisten. Aber gerade weil die Kommunikation bei so vielen unterschiedlichen fachlichen Hintergründen so wichtig ist, gibt es feste Strukturen, wie beispielsweise regelmäßige Meetings.
„Wir verbessern unseren Workflow kontinuierlich. Dabei ist es besonders wichtig, dass wirklich alle aus dem Team dazu beitragen“, betont Jimena. „Ich stelle mir deshalb regelmäßig die Frage, was brauche ich von den anderen, und was brauchen sie von mir? So lernen wir konstant miteinander zu kommunizieren und mit neuen Herausforderungen umzugehen. Eine davon war zum Beispiel, sich komplett auf geschriebene Tasks voneinander zu verlassen, anstatt kurz in der Küche darüber zu quatschen, was man heute noch von der Kollegin braucht. Das bedeutet auch ein enormes persönliches Wachstum.“
Diversität in Startups fördert Kommunikation und Innovation
Es geht also darum, das „Big Picture“ zu sehen und voneinander zu lernen, um herauszufinden, wie die anderen Personen im Team arbeiten, um den eigenen Workflow zu optimieren. Für Gründer Benedict steht fest:
„Dafür müssen die Ansprüche aneinander klar sein und alle müssen zusammenarbeiten. An diesem Punkt werden dann auch persönliche und gemeinsame Ziele vereint. Ich bin überzeugt, dass der hohe Grad an Diversität in Bezug auf die unterschiedlichen fachlichen Hintergründe eine entscheidende Rolle dabei spielt, dass genau diese Faktoren in unserem Team so gut funktionieren.“
Apropos Ziele. Im Augenblick arbeitet das ganze Team auf die Zertifizierung zur Digitalen Gesundheitsanwendung (DiGa) hin. Dann kann die App von ÄrztInnen verschrieben und die Kosten von gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden. Bis dahin müssen noch ein paar Frameworks für eine Webanwendung und das ein oder andere Feature in der App optimiert und vor allem eine neue Finanzierungsrunde abgeschlossen werden. Außerdem ist als Nächstes eine klinische Studie geplant, die den Proof of Concept auch wissenschaftlich validieren soll.
Darüber, dass das Konzept des digitalen Physiotherapeuten für die Hosentasche funktioniert und auch schon erfolgreich im Einsatz ist, hat der MDR in seiner aktuellen Sendung „Hauptsache gesund“ berichtet. Außerdem wurde eCovery vor kurzem von der Civic Innovation Plattform in der ersten Runde ihres Ideenwettbewerbs ausgezeichnet.
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