Wer eine Brille trägt, kennt das Prozedere beim Augenoptiker oder Augenarzt sicherlich: Der Sehtest zur Bestimmung der Fehlsichtigkeit kann ein mitunter zeitintensives Unterfangen sein. Das Startup PERCEPTEC aus Jena möchte dies dank eines innovativen Testkonzeptes, gekoppelt mit 3D-Hardware, nun ändern. Ein Interview mit Markus Leicht.
Lieber Markus, schön, dass ihr Zeit für das Interview findet! Was ist eure Idee, eure Mission mit PERCEPTEC?
Wir möchten den Sehtest zur Bestimmung von Fehlsichtigkeiten vollständig neu konzipieren. Der aktuelle Sehtest, wie er bei Augenoptiker:innen und Augenärzt:innen durchgeführt wird, ist relativ kompliziert, dauert recht lange und braucht viel Platz, weil mehrere Geräte und Hilfsmittel involviert sind. Zudem braucht es Fachpersonal, um ihn durchzuführen, da die verschachtelte Testprozedur eine professionelle Anleitung notwendig macht. Damit ist die Bereitstellung eines Sehtests kostenintensiv.
Unser Ziel ist es, das bestehende Testkonzept zu entschlacken und komplett neu zu denken. Da der Schutz unserer Idee aktuell noch nicht vollständig abgeschlossen ist, kann ich hier leider nicht ins Detail gehen. Was ich aber sagen kann: Wir werden einen Test anbieten, der schnell und intuitiv anwendbar ist. Damit ist er vom Untersuchten eigenständig durchführbar, ohne weiteres Zutun von Fachpersonal. Das stellt einen Paradigmenwechsel in der Branche dar.
Seit wann gibt es das Startup PERCEPTEC bereits?
Die Idee und erste konkrete Bemühungen entstanden bereits Mitte 2022. Gegründet sind wir seit Mai 2024. Das ist ein großartiger Meilenstein für uns. Aktuell sind wir ein Team von vier Personen: Ilka Urban und ich sind die beiden Augenoptiker im Team. Dann gibt es noch Nico Trinks, den Betriebswirtschaftler, und Muhammad Fahad, der die Programmierung und Softwareentwicklung übernimmt.
Ilka und ich haben eine klassische Augenoptik-Ausbildung gemacht, im augenoptischen Betrieb, danach in Jena Augenoptik studiert, Bachelor und Master. Anschließend haben wir die Promotion in verschiedenen Bereichen abgeschlossen. Ilkas Promotion war eher im medizinischen Bereich verortet, meine Promotion hatte einen stärkeren technischen Bezug. Das ergänzt sich super, da wir unsere Expertise nun gemeinsam in das Startup einbringen können. Durch unseren Werdegang wissen wir, wie der tägliche Arbeitsablauf von einem Augenoptiker aussieht und können zudem die neuesten wissenschaftlichen und technologischen Erkenntnisse am Puls der Zeit innerhalb der Branche realisieren.
Wo steht ihr gerade mit dem Produkt?
Wir haben aktuell einen Software-Prototypen, also ein Proof-of-Concept. Wir sehen bereits, dass unsere Methode zur Bestimmung von Fehlsichtigkeiten funktioniert, d.h. schnelle Ergebnisse in einem Bruchteil der klassischen Untersuchungszeit liefert und der Sehtest eigenständig vom Untersuchten durchführbar ist. Gleichermaßen sind wir noch dabei, das Testkonzept zu verfeinern und Machine-Learning-Algorithmen zu implementieren, damit die Testung noch schneller abläuft und das Messergebnis noch genauer wird.
Parallel dazu brauchen wir kompatible Hardware, deren Features sich mit unserem Testkonzept ideal ergänzen. Dafür nutzen wir aktuell die 3D-Displaytechnologie eines Partners, die auf Light-Field-Technologie basiert. Der Vorteil dieser Hardware ist, dass das Auge so stimuliert wird wie bei natürlichen Objekten, was es erst möglich macht, eine solche 3D-Technologie für den Sehtest verwenden zu können. Gleichzeitig ist es so, dass der dargestellte Content digital für Fehlsichtigkeiten korrigiert werden kann. Es braucht also keine physischen Linsen mehr. Bei der Hardware ist es gleichermaßen so, dass auch hier Prototypen vorhanden sind. Die Entwicklung von Software und Hardware läuft also parallel.
Bis ein marktreifes Produkt verfügbar ist, wird jedoch noch etwas Zeit ins Land gehen, da es sich dabei um ein Medizinprodukt handeln wird, bei dem bestimmte Regularien für die Zulassung eingehalten werden müssen.
Wer ist eure Zielgruppe?
PERCEPTEC wird Softwarelizenzen an Partner innerhalb der Wertschöpfungskette verkaufen, z.B. die Hersteller kompatibler Hardware. Die Zielgruppe für den virtuellen Sehtest (Hardware inkl. Software) ist zunächst die bestehende stationäre Versorgungsinfrastruktur, also Augenoptiker:innen und Augenärzt:innen. Besonders Augenärzte, die oftmals ziemlich stark ausgelastet sind, können dadurch einen Vorteil erhalten, indem sie den Zeit- und Personalaufwand für Diagnostik reduzieren und somit Arbeitsabläufe optimieren. Bei Augenoptiker:innen sind erste Ansprechpartner:innen eher große Optikerketten wie Fielmann und Apollo, die einen hohen Durchlauf haben und damit besonders stark von den Vorteilen des virtuellen Sehtests profitieren. Daneben könnte man aber auch an neue Modelle denken, etwa dass ein solcher Sehtest beim Hausarzt, in betriebsärztlichen Einrichtungen oder in der Apotheke stehen könnte.
Welche Rolle hat eure Universität bei der Entwicklung gespielt?
Das Team hat durch Studium und anschließende Anstellung im Wissenschaftsbetrieb eine sehr enge Verbindung zur Ernst-Abbe-Hochschule Jena. Darüber hinaus haben wir in der Vorgründungsphase eine wichtige Unterstützung im Rahmen des REAHLIZE-Programmes erhalten. Uns wurden Arbeitsplätze in einem voll ausgestatteten Labor und erste finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt, um unsere Idee voranzutreiben. Dazu hatten wir Ansprechpartner, die uns bei unseren ersten Schritten begleitet haben.
Im Oktober werden wir in den Technologie-und Innovationspark Jena ziehen, ein Komplex mit vielen Startups. Wir werden uns also von der Ernst-Abbe-Hochschule emanzipieren, ohne dass wir unsere Wurzeln vergessen.
Weshalb habt ihr euch für den Standort in Jena entschieden?
Thüringen hat eine sehr starke Optikbranche, vor allem Jena. Auch unter den Startups findet man viele junge Unternehmen in diesem Bereich. Durch eine mehr oder weniger starke thematische Nähe, ist man aneinander interessiert und lernt sich schnell kennen. Man wird mit offenen Armen empfangen. Der Umgang ist offen, unkompliziert und unterstützend. Startups, die bereits einige Schritte weiter sind, haben uns an verschiedenster Stelle mit ihren geteilten Erfahrungen sehr weiterhelfen können. Deswegen ist es für uns ein großer Vorteil, dass wir hier in Thüringen sind. Ich würde ungern tauschen wollen.
Was sind aktuell eure größten Chancen?
Wenn wir mit unserer Idee nach “außen” gehen, bekommen wir gerade von Playern innerhalb der Branche positives Feedback zu unserer Idee. Unsere Idee ist nachvollziehbar und verfängt. Dadurch konnten wir Kontakte zu Partnern aufbauen, was uns zuversichtlich in die Zukunft blicken lässt. Die große Chance für uns ist die, dass wir in einer finanzstarken Branche tätig sind, mit einer Idee, die viel Zuspruch erfährt. Dazu sind wir als Team interdisziplinär gut aufgestellt, um alle folgenden Schritte erfolgreich bewältigen zu können.
Was sind eure größten Herausforderungen und was würdest du Gründenden mit auf den Weg geben?
Die Weiterentwicklung eines Unternehmens ist wie puzzeln. Du hast bestimmte Puzzleteile zusammen, brauchst aber weitere Teile. Manchmal verlierst du auch ein Puzzleteil, findest es an einem anderen Ort wieder und es geht direkt schneller weiter. Was ich damit sagen will? Man braucht viel Durchhaltevermögen und darf sich von Rückschlägen nicht beirren lassen. Beim Gründen gibt es keinen geradlinigen Weg. Eher zwei Schritte vor, einen halben nach links oder zurück. Die Herausforderung dabei ist, dass man gerade bei den Schritten zurück einen kühlen Kopf bewahrt. Es ist besser, die Situation rational zu bewerten und die Optionen auszuloten. Es kommt auf die Momente an, in denen Stolpersteine zu überwinden sind. Das sind die Momente, in denen du klug reagieren musst und sich entscheidet, ob du am Ende weiterkommst oder nicht.
Dazu hilft es, eine klare Vision für die Zukunft zu haben und sich gleichzeitig nicht zu überfordern. Wenn ich mir zu große Aufgaben setze, kann das schnell überfordernd wirken. Dann wirken die kleinen alltäglichen Fortschritte im Verhältnis klein. Deswegen ist es gut für den Kopf, eher in kleinen Aufgaben zu denken und diese dann abhaken zu können..
Was ist euer nächster großer Meilenstein?
Ein zentraler Meilenstein ist der erfolgreiche Abschluss bei der Sicherung unseres geistigen Eigentums. Dazu wollen wir unser Testkonzept zur effizienten Bestimmung von Fehlsichtigkeiten stetig verbessern und validieren. Langfristig wollen wir unser Produktportfolio erweitern und weitere diagnostische Tests für Augenoptiker und Augenärzte im virtuellen Raum umsetzen.
Ein weiterer elementarer Baustein ist die Realisierung einer Anschlussfinanzierung nachdem die Thüringer Gründungsprämie der Thüringer Aufbaubank zum Ende 2024 ausläuft. Wenn unsere Idee also Interesse bei potentiellen Investoren geweckt hat, dann gerne bei uns melden.
Ihr seid interessiert und möchtet PERCEPTEC gerne unterstützen? Dann meldet euch gerne bei Markus Leicht unter der folgenden E-Mail-Adresse: [email protected].